Bayern wird Meister

Der beste Fußball, die nettesten Leute – alles Quatsch: Nichts geht über die Faszination des Bösen

Wäre Fußball Kino, dann hätte es so etwas wie das Ende der letzten Saison niemals gegeben. In Hollywood wäre Bayern Münchens letztsekündiger Freistoßtreffer des Schweden Patrik Andersson (Dolph Lundgren) von Schiedsrichter Merk (Tom Cruise) auf Drängen des Linienrichters Bachramowski (Nicolas Cage) wegen eines Verbalfouls von Oliver Kahn (Antonio Banderas) annulliert worden, im deutschen Film hätte es wie bei „Lola rennt“ wenigstens zwei, wenn nicht gar drei verschiedene Schlussvarianten gegeben, aber alle mit Franka Potente im HSV-Tor.

Man muss schon lange zurückdenken, um einen Film zu finden, indem das Böse derart restlos siegt wie es gewöhnlich im Fußball der Fall ist. Sergio Corbuccis „Il grande silenzio“ zum Beispiel – in Deutschland mit dem selten dämlichen Titel „Leichen pflastern seinen Weg“ versehen –, wo das Böse kongenial von Klaus Kinski verkörpert wird und rundum triumphiert. Bayern München ist also Kinski – und so wird es auch bleiben. So muss es bleiben!

Völlig undenkbar, dass irgendjemand anderes Meister werden könnte als die finsteren Schurken aus dem durchstoiberten Süden, und – seien wir ehrlich – alles andere wäre auch glatter Stilbruch. Soll denn wirklich dieser manische Dauergrinser mit Völlerfrisur und Bertiblick aus Pillenhausen triumphieren? Oder gar die schwarzgelbe Duselbande aus dem Pott, von der nicht mal der eigene Trainer auch nur ein einziges gutes Spiel gesehen hat? Dann doch lieber Kinski, und zwar richtig. Bayers Emergency-Room-Auswahl verliert gegen Hertha, und Dortmunds Brasilotschechen schaffen durch einen ausnahmsweise berechtigten Elfmeter gerade noch den Ausgleich gegen Bremen. Bayern hingegen gewinnt mittels eines irregulären, von Elber geschundenen und vom überraschend eingewechselten Effenberg verwandelten Strafstoßes in letzter Minute gegen ein hoch überlegenes Team von Hansa Rostock und verhilft so der Faszination des Bösen zu neuer Meisterblüte.

Kein bärenhafter Freudentanz eines Calmund in der BayArena, kein sardonisches Triumphatorenlächeln eines Sammer im Westfalenstadion, keine alberne Sambanummer mit den notorischen Babyfotos auf der Brust kann die emotionale Tiefenwirkung der Szenen erreichen, die sich in München abspielen werden, wenn die Munich Bad Boys zu Hochform auflaufen. Das süffisante Ich-hab’s doch-immer-gewusst-Grinsen eines Hitzfeld, die lallige Leckt-mich-doch alle-am-Arsch-Rotzigkeit eines Effenberg, die gehässige Böse-Wölfe-leben-länger-Tirade eines Kahn, die krachlederne Wer-zuletzt-lacht-Genugtuung eines Hoeneß – das ist der Stoff, aus dem jener Hass gewebt wird, welcher der nächsten Saison erst die richtige Würze verleiht. Auch dann heißt es wieder, bis zuletzt auf den Sieg des Guten zu hoffen, um schließlich doch das bewährte „Ugly End“ zu erleben. Es sei denn, die Liga verkauft die TV-Rechte statt an die ARD nach Hollywood.

MATTI LIESKE