EU-Recht wird angreifbar

Europäisches Gericht ermöglicht direkte Klagen gegen EU-Verordnungen

FREIBURG taz ■ Bürger und Unternehmen können künftig direkt gegen EU-Verordnungen klagen. Dies hat gestern das Europäische Gericht Erster Instanz (EuG) in Luxemburg entschieden. Faktisch wurde damit eine Art „europäischer Verfassungsbeschwerde“ eingeführt. Auslöser der Entscheidung war ein französischer Fischereibetrieb, der mit einer neuen EU-Regelung zur zulässigen Netzgröße nicht einverstanden war. Seine Klage in Luxemburg wäre nach bisherigen Standards unzulässig gewesen, denn laut Vertrag können nur die Mitgliedsstaaten oder die EU-Kommission direkt gegen EU-Verordnungen klagen.

Das EuG fand diese Regelung jetzt aber „unbefriedigend“. Bisher müssen Bürger und Unternehmen nämlich erst gegen eine Verordnung verstoßen, damit ein nationales Gericht den Fall zur „Vorabentscheidung“ nach Luxemburg überweisen kann. Das ist zum einen kompliziert, zum anderen tragen die Bürger auch das Risiko, tatsächlich bestraft zu werden, wenn am Ende die angegriffene Verordnung bestätigt wird. Nach EuG-Ansicht werde dies weder den Anforderungen der EU-Menschenrechtskonvention noch der neuen EU-Grundrechte-Charta gerecht.

Künftig wird Folgendes gelten: Wenn eine EU-Verordnung die Bürger direkt und unmittelbar in ihren Rechten betrifft, können sie beim EuG klagen. Anders als früher kommt es nicht mehr darauf an, dass sie allein von einer Verordnung betroffen sind. Damit können künftig auch Verordnungen angegriffen werden, die sich an die Allgemeinheit richten. Prüfungsmaßstab sind jeweils die EU-Verträge. Gegen Urteile des EuG sind Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zulässig. CHR