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Tanzen, bis sich Türen öffnen

■ Zurück aus Taschkent: Eine Woche war das Bremer Tanztheater in Usbekistan – ein Spagat zwischen Theaterwelten

Welten sind da zusammengestoßen. Tanzwelten: West und Ost, Moderne und Tradition. Entsprechend Respekt vor diesem Urknall hatte das Bremer Tanzensemble, das im April nach Taschkent tourte. Um mit „Passionen. Passagen“ etwas auf der Bühne auszudrücken, das Bühnen in Usbekistan bislang nicht kannten, nämlich: Aggressionen – statt Schwanensee. Wut statt heile Ballett-Welt. Wie würde man das dort wohl auffassen, diese Grenzüberschreitung?

Begeistert. Ganz unerwartet stürmisch. Und die Bremer? Mindestens genauso begeistert. Und schlussendlich erleichtert. Gut eine Woche ist das Ensemble inzwischen zurück aus Taschkent, und berichtet hochzufrieden vom geglückten Spagat zwischen den Tanz-Kulturen.

Angefangen hatte alles 1998. Damals saß zufällig die Leiterin des Goethe-Instituts von Taschkent in der Aufführung von „Passionen. Passagen“. In Leipzig war das. Auch sie war begeistert und schickte postwendend dem Bremer Tanztheater eine Einladung nach Usbekistan ins Haus. Um mit den Stück den „größtmöglichen Kontrast“ zur usbekischen Tanzästhetik nach Taschkent zu holen.

Ein internationaler Kulturaustausch sollte die Reise im April werden. Keine Einbahnstraße, kein: „Wir zeigen denen da drüben, wie es geht.“ Denn was Technik und Perfektion angeht, waren die TänzerInnen in Usbekistan absolut fantastisch, gestehen die Bremer.

“Völlig anders sind dort vor allem die Maßstäbe in der Ausbildung“, erzählt Urs Dietrich, Leiter des Bremer Ensembles. Nach der Aufführung hat Dietrich in Taschkent einen 4-tägigen Workshop gegeben. Und gelernt, dass man in Usbekistan einen Preis bekommt, wenn man 14 Pirouetten drehen kann, und dass dafür Improvisation nicht viel zählt. Dass Schwanensee und Nussknacker mit ihrer heilen Welt Dauerrenner sind. Vielleicht weil die Wirklichkeit in Usbekistan ganz anders aussieht, vermutet Dietrich.

Warum denn bei uns so viele Nationen im Ensemble vertreten sind, das sei die erste Frage der Kollegen gewesen. In Usbekistan, zehn Jahre nach der Unabhängigkeit, gebe es diese Internationalität nicht. Und warum in den „Passagen. Passionen“ so viel improvisiert würde, sei die nächste Frage gewesen. „Das ist nicht improvisiert!“, war die Antwort. Das soll nur so locker aussehen, sei aber harte Arbeit. Verständigt hat man sich mit Händen und Füßen, berichten die TänzerInnen: „Damit kann man sich selbst über Fußball auf dem Markt von Taschkent unterhalten.“

Die Reise in die Republik Usbekistan soll in jedem Fall nicht die letzte gewesen sein. Im August soll eine Kultur- und Wissenschafts-Delegation folgen. Und der Botschafter Usbekistans hat den Wunsch geäußert, die Kontakte zwischen Bremen und seinem Land zu intensivieren, und zwar nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene, sondern vor allem auf kultureller. „Kultur hat hier eine Türöffnerfunktion“, erklärte die Staatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU). Usbekistan und Bremen – sie lernen sich auf der Tanzfläche kennen.

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