Pirouettendreher am Start

Die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung will ab heute ein positives Signal an die seit dem 11. September kriselnde Branche aussenden. Doch die Messe selbst leidet unter starker Konkurrenz

von RICHARD ROTHER

Fliegen ist Nervenkitzel, zugucken nicht minder. Wenn in dieser Woche wieder tausende in Schönefeld den Blick gen Himmel richten werden, schauen sie nicht auf das nächste Frühlingsgewitter – ihr Interesse gilt vielmehr den kleinen und großen Kunststückchen, die die Piloten über der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Schönefeld vorführen. Die berühmte Patrouille de France, die vor zwei Jahren noch mit acht Alpha-Jets am Himmel im Südosten der Stadt kreiste, hat allerdings kurzfristig abgesagt – dafür sind nun die Flieger der Patrouille de Suisse am Start. Zwar dürfen in Deutschland nach der Katastrophe von Rammstein keine gefährlichen Formationen mehr geflogen werden – nervenaufreibende Manöver dürften dennoch zu sehen sein.

Die Loopings und Pirouetten am Himmel sind freilich nur Unterhaltung für Flugfans, fast schon Ablenkungsmanöver. Zwar verzeichnet die ILA mit über 1.000 Ausstellern einen Zuwachs von 13 Prozent im Vergleich zur letzten Flugmesse – die Stimmung in der Branche, die einst hoch hinaus wollte, ist seit dem 11. September aber deutlich gesunken. Von der ILA werde „ein sehr ermutigendes Signal“ für die Branche ausgehen, hofft der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrindustrie (BDLI), Hans Eberhard Birke.

Doch so eindeutig ist das alles noch nicht. Das macht Rainer Hertrich, Vize-Chef des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS, deutlich. Eine Prognose für 2003 kann derzeit nicht gegeben werden, das Jahr 2002 hat er schon als Minusjahr gebucht. Unsicherer denn je sind die kurzfristigen Aussichten der Flugzeugbauer – nicht zuletzt wegen der politischen Risiken, etwa der Lage im Nahen Osten oder eines möglichen Militäreinsatzes gegen den Irak. Eine Erhöhung des Erdölpreises schließlich würde relativ schnell auf die Branche durchschlagen.

Die Folgen der Terroranschläge vom 11. September sind jedenfalls in der Branche deutlich zu spüren. Fluggesellschaften haben ihre Orders reduziert oder sind gleich ganz in Konkurs gegangen. Plante der europäische Branchenriese Airbus ursprünglich dieses Jahr 390 Flugzeuge auszuliefern, so sind es mittlerweile nur noch rund 300. „Die gesamte Branche muss den Gürtel enger schnallen“, sagt BDLI-Sprecher Klaus-Hubert Fugger. Dies spürten zunehmend auch die kleinen und mittleren Zulieferbetriebe.

Mit Gerhard Schröder, der die Schau heute eröffnet, erhält die ILA erstmals bereits zu Beginn die Unterstützung eines deutschen Bundeskanzlers. Politischer Schwerpunkt ist eine Airbus-Ministerkonferenz. Beim Militär-Transporter A440M hofft BDLI-Geschäftsführer Birke in Kürze auf eine Freigabe durch die Vergabeorganisation.

Größere Vertragsabschlüsse sind im Umfeld der diesjährigen ILA allerdings nicht zu erwarten. Nach wie vor kämpft die Luftschau, die sich gegen die europäische Konkurrenz im französischen Le Bourget und im englischen Farnborough durchsetzen will, um ihren Platz im internationalen Geschäft. Zwar profiliert sich die ILA mit vielen russischen und ukrainischen Ausstellern als Ost-West-Drehscheibe – der weltweit größte Flugzeughersteller, Boeing, glänzt aber ebenso wie große Fluggesellschaften durch Abwesenheit. Die US-Firma tritt dafür im Juli in Farnborough auf. Zwei große Luftfahrtschauen im Abstand von nur wenigen Wochen machen für die Amerikaner wirtschaftlich keinen Sinn.

Dass der ILA, die in diesem Jahr rund elf Millionen Euro kostet, das Kerosin ausgeht, ist dennoch unwahrscheinlich. Die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie, die im europäischen Konzern EADS gemeinsam mit der französischen Industrie eine Schlüsselrolle einnimmt, betrachtet die Schönefelder Messe zunehmend als ihre politische Plattform – so wie die Franzosen den Flugsalon Le Bourget bei Paris. So werden also auch in zwei Jahren wieder Kampfjets ihre Kunststückchen am Himmel über Schönefeld zeigen. Die Planungen für die nächste ILA laufen bereits, nur über den Termin schweigen die Veranstalter. Nahe liegend wäre aber, stünde er wie in diesem Jahr in einem zeitlichen Zusammenhang zu einem Feiertag, den sich nicht die Werbestrategen der Branche, sondern die christliche Kirche ausgedacht hat – Himmelfahrt.