doktor ahern, nehme ich an von RALF SOTSCHECK
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Er kommt jetzt wieder öfter vorbei. Bertie Ahern, der Mann im Anorak, geht wie ein Hausierer von Tür zu Tür. Aber er ist kein Hausierer, sondern irischer Premierminister oder „Taoiseach“. Das bedeutet „Häuptling“. In knapp zwei Wochen stehen die Parlamentswahlen an, und da es in Irland keine Listenwahl gibt, kommt auch der Häuptling nur über die Direktwahl ins Parlament.

Ich wohne in seinem Wahlkreis. „Doktor Ahern, nehme ich an“, sage ich zu ihm, und er nickt geschmeichelt. Ahern lässt sich gern in Talar und Doktorhut fotografieren. Den Doktortitel hat ihm – wie jedem Taoiseach vor ihm – die juristische Fakultät verliehen. In seiner Biografie auf der Internetseite seiner Partei Fianna Fáil, den „Soldaten des Schicksals“, wird behauptet, Ahern habe an der berühmten London School of Economics (LSE) studiert, doch die LSE erklärte, es gebe in ihren Unterlagen dafür nicht den geringsten Hinweis.

In seinem offiziellen Lebenslauf beschreibt sich Ahern als ehemaligen Krankenhausbuchhalter, der am University College Dublin (UCD) studiert habe. UCD wollte den Taoiseach zu Werbezwecken einspannen, doch als man in den Archiven herumstöberte, fand man nichts. „Vielleicht hat er ja mal einen Abendkurs in einem Nebengebäude belegt“, meinte ein Universitätsangestellter.

So genau wie bei Ahern sieht man im UCD nicht immer hin. Vergangenen Oktober trat der beliebte Dozent des Wirtschaftsfachbereichs, der US- Amerikaner Dr. Gary Santry, plötzlich zurück. Nachdem er fünf Jahre lang am College unterrichtet hatte, fand jemand heraus, dass er weder habilitiert, noch irgendeinen Universitätsabschluss hatte. Als man ihn 1996 einstellte, machte sich niemand die Mühe, seine Papiere zu überprüfen. Das UCD liegt offenbar im Dubliner Stadtteil Köpenick.

Dabei ist es gar nicht so schwer, einen Doktortitel zu erlangen, dazu muss man nicht mal Häuptling werden. Es reicht schon, wenn man Bischof ist. Dann wird man automatisch zum „Doktor der Göttlichkeit“ ernannt. Wer ein Vermögen angehäuft hat, wie Billigflugkönig Tony Ryan oder Zeitungszar Tony O’Reilly, bekommt den Titel als Zinsen hinterhergeworfen. Auch Mutter Teresa, die mit gefalteten Händen und katholischem Dogma Millionen ins Unglück gestürzt hat, ist irische Ehrendoktorin – ebenso wie Roy Keane, der Kapitän der irischen Fußballnationalmannschaft. Sollte das Team im Sommer Weltmeister werden, erhält auch der Rest der Mannschaft bis hin zum Zeugwart den Titel.

Dann können die Fußballer nach Beendigung ihrer aktiven Laufbahn schnurstracks in die Politik gehen, wie es unter irischen Sportlern üblich ist. Im irischen Kabinett gibt es nur zwei Minister, die ihren Doktorhut ehrlich erworben haben: Bildungsminister Michael Woods, der „Tomatendoktor“, der über die Nachtschattengewächsen habilitiert hat, und Tourismusminister Jim McDaid, der in Galway Medizin studiert hat. Offenbar ist der Ethikunterricht damals ausgefallen: Vorige Woche bezeichnete McDaid Selbstmörder als „egoistische Bastarde“.