Die Frau mit der 45er Magnum

(1980)

Sie heißt Thana – wie eine kleine Schwester des griechischen Todesengels Thanatos. Sie ist stumm, und sie hat eine Waffe, die sich wie ein Damenpistölchen ausnähme, vergliche man sie mit den großen Kalibern im Hollywood- und Hongkong-Kino unserer Tage. Das ändert nichts daran, dass Thana mich in ihren Bann schlug, fast eine Offenbarung war, als ich sie Anfang der Neunzigerjahre zum ersten Mal auf der Leinwand sah. Eine Offenbarung: Das hätte Abel Ferrara, dem Regisseur mit dem Hang zum katholischen Surplus, sicher gefallen.

„Die Frau mit der 45er Magnum“, Ferraras zweiter Langfilm, schickt seine Heldin in einen kalten Amoklauf, der im Rape-Revenge-Genre aufgeht und doch auch wieder nicht, weil er sich, statt sich um Figurenpsychologie zu scheren, in Richtung griechischer Tragödie weitet.

Thana (Zoë Lund) wird an einem Tag zweimal vergewaltigt. Den zweiten Täter bringt sie um, gelangt dabei in den Besitz der titelgebenden Waffe und wird, nachdem sie die Leiche zersägt und an den Hund der Nachbarin verfüttert hat, zur Rächerin. Ab jetzt ist ein Mann, der ihr anzüglich kommt, tot. Ferrara lässt dies in ein maßloses Finale münden, ein Ballett aus Schüssen und verletzten, getöteten Körpern. John Woos Schusschoreografien sind damit verwandt und der brutale Taumel, mit dem Peckinpahs „The Wild Bunch“ schließt, auch.

Für mich aber lag das Faszinosum nicht nur in der Ästhetik des Maßlosen, des Exzesses, des Überschusses. Es lag auch in der Ermächtigungsfantasie, für die Thanas Taten standen.

CRISTINA NORD