LINKE MÄKELN AM STREIK HERUM – VERSTÄNDLICH, ABER UNBEGRÜNDET
: Die Keine-Experimente-Fraktion

Huch, jetzt streiken die auch noch! Ab heute ruft die IG Metall etwas ungelenk, aber machtvoll zum Streik auf. Die halb beamteten Massen der Lohnabhängigen mit ihren Nettoeinkommen von zweitausend Euro postieren sich mit makellosen Winkelementen. Die virtuellen Feinde vor den Werkstoren sind der Streikbrecher und der Kapitalist, die im Übrigen auch Benz fahren. Für einen gestandenen Linken wäre das eine Chance – weil die Gesellschaft durch Streik wenigstens ein bisschen in Aufruhr gerät. Doch was machen die rot-grünen Hilfstrüppchen? Ihr Herz fröstelt. Bitte keinen Streik, denken sie, sonst erwischt es den wichtigsten Wahlhelfer von Rot-Grün – den Aufschwung.

Einerseits: Weder dem Joschka noch dem Gerd traut die Linke Nennenswertes bei einer Fortsetzung der „Reform“-Koalition zu. Andererseits: Traditionalisten, Libertäre und Anarchos sind im Angestelltentarif ergraut oder haben sich zahm professionalisiert. Ein Staatsmann Schröder und ein Joschka im Dreiteiler sind ihnen viel näher als das Traumapärchen Edmund & Guido. Daher: Keine Streikexperimente vor der Wahl.

Die Gesellschaftsveränderer von einst haben Angst vor dem Reaktionär Stoiber, der als Kanzler keine Kreide fressen bräuchte. Angst vor allem aber davor, dass Angela Merkel und die anderen Liberalen der Union dem Stoiber’schen Rechtsruck nichts entgegensetzen könnten. Kulturell sind solche Überlegungen verständlich, wirtschaftspolitisch machen sie jedoch keinen Sinn. Der Streik wird auch einem erwartbar schwachen Aufschwung nicht schaden. Lohnzufriedene Arbeitnehmer aber sind viel eher bereit, Schröders Malheurkabinett eine Verlängerung zu gewähren.

Denn dass der Umbau des Arbeitsmarkts unumgänglich ist, wissen die Arbeitsplatzbesitzer. Nur wird er unter Rot-Grün für sie viel weniger schmerzhaft ausfallen, als wenn harte Gegner des Kündigungsschutzes wie Friedrich Merz Joblosen und Arbeitnehmern auf die Füße treten. Die Linken sollten daher aufhören, gegen einen Streik zu lästern, der den Arbeitslosen nicht helfe – es sei denn, sie traut sich öffentlich zu sagen, dass Arbeitslosigkeit mit Sozialpolitik allein nicht zu bekämpfen ist. CHRISTIAN FÜLLER