Arbeitskampf – aber bitte korrekt!

Ratschlag für den Arbeitnehmer

Scheuen Sie sich nicht, jahrzehntealte Gewerkschafter-Argumente für einen Streik noch einmal vorzubringen. Die haben viele nämlich immer noch nicht verstanden. Verweisen Sie unbeirrt auf die „Kaufkrafttheorie“: Jedes Lohnprozent mehr schaufelt mehr Geld in die Portemonnaies der Beschäftigten, die kaufen sich wiederum mehr Autos, und das wiederum bringt den Wirtschaftsstandort Deutschland voran. Die Beschäftigten geben also den höheren Lohn gewissermaßen umgehend an die Arbeitgeber zurück – dieser Logik wird sich niemand entziehen können.

2. Beachten Sie die Besonderheiten der Jahreszeiten für den Streik. Ein Streik im Winter kann zwar recht medienwirksam sein: Frierende Metaller vor brennenden Mülltonnen, das gibt ein schönes Bild. Im Frühling allerdings können die Gewerkschafter während des Arbeitskampfes ein bisschen im Kleingarten werkeln und bekommen dafür noch etwa die Hälfte ihres Nettolohnes als Streikgeld. Der Frühling ist also eine arbeitnehmerfreundliche Zeit für einen Ausstand.

3. Beachten Sie die Nebenwirkungen Ihrer modernen Kampfmethoden. Ein rollierender Streik, der die großen Unternehmen immer nur für einen Tag matt setzt, hat zwar Vorteile. Er kostet die IG Metall weniger Streikgeld. Aber er birgt auch Risiken: Bilder von Metallern, die nur für eine Schicht vor den Werkstoren patrouillieren, erinnern ein bisschen an Warnstreiks. Sie könnten nicht ernst genug genommen werden. Außerdem sollten Sie die Arbeitnehmer zur Disziplin aufrufen: Am nächsten Tag müssen sie schließlich wieder in der Firma sein. Aufwändigen Garten- oder Handwerksarbeiten im eigenen Heim sind bei einem rollierenden Streik enge zeitliche Grenzen gesetzt.

4. Bestreiken Sie nicht Betriebe, die gegenwärtig ohnehin mit sinkender Nachfrage für ihre Produkte zu kämpfen haben. Ein schwächelnder Mittelständler könnte den Streik nämlich sonst gar nicht so schlimm finden. Schließlich spart er eine Menge Lohn und bekommt vom Arbeitgeberverband auch noch eine Ausfallsentschädigung.

5. Betonen Sie, dass der Streik gar nicht so schlimm ist für die Republik. Man gehe schließlich behutsam vor. IG-Metall-Chef Zwickel hat schon versprochen, dass kein Autokäufer auf seinen Neuwagen verzichten muss. So erhalten Sie sich eine freundliche öffentliche Meinung.

6. Machen Sie aber gleichzeitig allen klar, dass der Streik ein ganz hartes Kampfmittel ist. Verzichten Sie nicht auf Ihre aufrüttelnde Rhetorik, die gleichwohl durchdacht sein muss. Seien Sie während eines Streiks in Süddeutschland vielleicht vorsichtig mit Forderungen nach „Butter bei die Fische“ (regional deplatziert) oder einem „kräftigen Schluck aus der Pulle“ (weckt Assoziationen an Alkoholismus). Unverfänglicher ist die Forderung nach mehr „Geld, Geld, Geld“ in die Taschen der Arbeitnehmer. Und wer sich einmischt, dem drohen sie eine „blutige Nase“ an. So was verstehen alle.

BARBARA DRIBBUSCH