Vom Stau am Tor keine Spur

Die Grünen wollen Sperrung des Brandenburger Tors über September hinaus. Die Erfahrungen der ersten Tage geben ihnen Recht. CDU und FDP hingegen steigen in die alten Gräbenkämpfe der Verkehrspolitik und fordern freie Fahrt unter der Quadriga

von STEFAN ALBERTI

Die Grünen-Forderung nach einer dauerhaften Schließung des Brandenburger Tors hat an Gewicht gewonnen: Auch zum Wochenstart blieben Staus auf den Umleitungen zwischen Unter den Linden und Straße des 17. Juni weitgehend aus. Die CDU sieht derzeit „eine klammheimliche Vorbereitung für eine konzeptionslose Schließung“. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hingegen weist solche Vorwürfe zurück und lehnt eine permanente Sperrung ab. Gute Nachrichten für die kritisierte Behörde kamen nur von Tor-Verhüller Telekom. Dass die teuer bezahlte Werbeplane nun bei Autofahrern weniger sichtbar ist, will das Unternehmen nicht für eine Regressforderung nutzen.

Seit Freitag können Autos nicht mehr durch das Tor fahren. Grund sind Bauarbeiten am Pariser Platz, die bis Mitte September dauern sollen. Danach, am 3. Oktober, sollen auch die Torhüllen der Telekom fallen. Nach den staufreien ersten Tagen sieht sich der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Michael Cramer, in seinen Prognosen bestätigt, ein Verkehrschaos drohe nicht. CDU-Experte Alexander Kaczmarek hingegen sprach von einer „Momentaufnahme ohne Aussagewert“.

Gestern wiederholte Cramer seine Forderung, das Tor dauerhaft für Autos zu sperren und damit den Zustand von vor vier Jahren wieder herzustellen. Bis März 1998 durften, von einem Zwischenspiel gleich nach der Wende abgesehen, nur Busse, Taxis und Radfahrer von Ost nach West durch das Tor fahren. Wegen Bauarbeiten in der Dorotheenstraße aber wurde das Tor geöffnet, angeblich auf acht Monate befristet. CDU-Bausenator Jürgen Kleemann äußerte damals seine „feste Absicht“, dass Tor wieder zu schließen.

Zu den Durchfahrtkritikern gehörte auch der heute zuständige Senator Peter Strieder (SPD). Der sei immer noch für eine Sperrung, doch ganz pragmatische Gründe sprächen dagegen, sagt seine Sprecherin Petra Reetz und verweist auf Zählungen: Die umliegenden Straßen könnten den Verkehr dauerhaft nicht bewältigen. Eine Sperrung soll erst dann ein Thema sein, wenn andere umliegende Straßen ausgebaut oder verlängert sind.

Grünen-Parlamentarier Cramer sieht darin eine Bequemlichkeit Strieders, der einer Konfrontation mit der CDU aus dem Weg gehen wolle. Er verweist auf Untersuchungen, nach denen der Verkehr problemlos allein über die Behrenstraße fließen könnte. Für die Union nutzte der frühere Landesparlamentarier Volker Liepelt das Thema, um sich als CDU-Kandidat für die Bundestagswahl warm zu laufen. „Mit PDS und Strieder fließt der Verkehr nie wieder“, reimte Liepelt und warf dem rot-roten Senat eine ideologisch motivierte Antiautopolitik vor.

Dabei eiert gerade die Regierungskoalition bei der Frage nach einer Sperrung. Strieder lässt verkünden, das Tor sei Mitte September wieder auf, von der PDS-Verkehrsexpertin Jutta Matuschek ist zu hören, die Frage stehe jetzt nicht an. Allein ihr SPD-Fachkollege Christian Gaebler mag über eine Sperrung zumindest nachdenken. „Wir müssen uns jetzt mal anschauen, wie der Verkehr während der Bauarbeiten fließt und dann entscheiden, wer auf dem Pariser Platz Priorität hat: Fußgänger und Touristen oder Pkw.“

Sein Sprecherkollege von der FDP, Claus-Peter von Lüdecke, schlägt den umgekehrten Weg ein, will das Tor in beide Richtungen öffnen. „Ursprünglich war das auch so“, sagte er und meinte damit: vor dem Krieg. SPD-Mann Gaebler mochte gar nicht so weit gehen, als er der FDP einen Rückfall in die Verkehrspolitik der 60er-Jahre vorwarf.