Der Regierende Reisemeister

Ausgerechnet zum Besuch des US-Präsidenten weilt Klaus Wowereit im sonnigen Australien. Die Opposition tobt. Kein Urlaub, sondern eine Dienstreise, rechtfertigt sich das Stadtoberhaupt

von ROBIN ALEXANDER

Wenn am 22. und 23. Mai US-Präsident Georg W. Bush Berlin besucht, wird der Regierende Bügermeister nicht in der Stadt sein. Klaus Wowereit besucht zu dieser Zeit in seiner Eigenschaft als Bundesratspräsident Australien. „Wowereit muss zurücktreten: entweder von der Reise oder vom Amt“, forderte der CDU-Politiker Volker Liepelt. Eine Bush-Begrüßung ohne den Regierenden sei „schäbig“. Für die FDP griff gar der Bundesvorsitzende Guido Westerwelle Wowereit an. Dieser müsse begreifen, dass man als Regierender Bürgermeister nicht nur Partys feiern und Lustreisen unternehmen könne, sondern auch protokollarische Pflichten habe.

Der Beschuldigte selbst platzte beinahe vor Zorn: Mühsam strampelt sich Wowereit seit Wochen aus dem Image des Lebemannes heraus. Seit eine Zeitung ihn zum „Regierenden Partymeister“ stempelte, darf Wowereit sich weder mit Sektflöten noch mit der Talkmasterin seines Vertrauens in der Öffentlichkeit zeigen. Der Vorwurf, er lustwandle an exotischen Stränden, während der amerikanische Präsident Berlin besuche, hat Wowereit also gerade noch gefehlt. Per dpa ließ er sauer verlauten: „Erstens bin ich nicht im Urlaub. Zweitens ist es eine lange geplante Dienstreise als Bundesratspräsident nach Australien, und drittens war nie von einer Visite des US-Präsidenten im Roten Rathaus die Rede.“ Das ist nur überwiegend richtig: Der Trip nach down under war zwar tatsächlich schon seit Jahresanfang – also vor der Bush-Visite – verabredet, jedoch noch nicht endgültig terminiert. Vielmehr versuchten Beamte der Senatskanzlei, als Bushs Besuch feststand, über die amerikanische Botschaft noch ein Treffen Bush-Wowereit zu organisieren. Allein: Die Amerikaner lehnten dankend ab. Bush wird weder für Wowereit noch für einen Eintrag ins goldene Buch der Stadt noch für irgendeinen anderen Kontakt zur Verfügung stehen. Bush verbringt einfach nicht genug Zeit in Deutschland, bedauert die Senatskanzlei. Doch als Bill Clinton 1998 nur für 24 Stunden in Berlin war, schaffte er allerdings nicht nur das goldene Buch, sondern ertrug sogar eine viertelstündige Rede Diepgens und enthüllte das Flugzeug „The Spirit of Berlin“. Das sei ein „Staatsbesuch“ gewesen, nun stehe lediglich ein „Arbeitsbesuch“ des Präsidenten an, erläutert die Senatskanzlei. Eine schlichte Wahrheit wird im Streit um den reisenden Bürgermeister übersehen: Berlin, das von der Frontstadt zur Metropole wachsen wollte, ist für US-Präsidenten nur noch irgendein großes Etwas kurz vor der polnischen Grenze.