Daily Daum ist abgesetzt

Überraschend plötzliches Ende der Justizoper: Gestern endete mit einer milden Geldbuße von 10.000 Euro die Drogen-Erfolgsserie „Gutes Urteil, schlechtes Urteil“ im Koblenzer Forsthaus Marienhof

Prozesszeuge Calmund: „Ich wusste nicht, in welchem Film ich gelandet bin“

aus Koblenz BERND MÜLLENDER

Weil es sich um Fußball handelt, zumindest im weiteren Sinne, hatten Branchenkenner fest mit 34 Folgen gerechnet, so wie eine Saison Spieltage hat. Deshalb war das gestrige Ende schon nach 30 Verhandlungstagen der Soap Opera „Daily Daum“ vor dem Koblenzer Landgericht doch überraschend. Der Kokainprozess war ein typisches Produkt der Unterhaltungsindustrie, das alle Stilelemente einer Seifenoper aufwies. Held und Hauptdarsteller: Christoph Daum (48), Fußballlehrer, Exfastbundestrainer; erst erfolgs-, dann drogensüchtig. Eigentlich war der Starräugige mit den haarigen Geschichten kein Sympathicus. Aber er sollte später viel Mitleid ernten, weil ihm die anderen so böse mitspielen.

Pilotfolge. Zum Prozessbeginn gab Daum Einsamkeit nach Trennung als Koksgründe an, spricht von „großen Schuldgefühlen“. Das geht ans Herz. Er nennt den Strafprozess „die Veranstaltung“; ersatzweise „das böse Spiel“. Dann schweigt der notorische Vielsprecher erst mal und schreibt in seine lila Kladde, die er „mein Drehbuch“ nennt. Kameras zu dutzenden überall. Alle Medien berichten. Die Quoten sind gut.

Darsteller. Am Set im Gerichtssaal waren wie bei jeder Soap durchweg junge, eitle Darsteller ihrer selbst. Seifenopern dienen seit jeher als Karrieresieb. Herausragend dabei die giftigen Duelle voller schauspielerisch brillanter Arroganz zwischen Junganwalt Stankewitz (sehr smart) und Jungankläger Angerer (noch smarter), dessen Einlassungen stets große Inszenierungskunst verrieten. Zwischen beiden Seiten, Gut und Böse, gab es tumultartige Szenen, Beleidigungen („Diese Marionette“) und Beschimpfungen („Halt die Klappe da oben“). Das war der Handlungsnebenstrang. Der Vorsitzende Richter Gnadenvoll gab den Naiven und rügte höchstens mal. Folge auf Folge setzte es immer wieder Befangenheitsanträge, deren Entscheidungen vertagt werden mussten – der typische Cliffhanger. Wird der große Krimi vielleicht platzen?

Plot. Die Anklage war nicht nur auf dem zweifelhaften Haargutachten („unkontrollierbare Fehlerbreite“) mit exorbitanten Werten aufgebaut, sondern auch auf windigen Figuren des Dealermilieus, auf Kleinkriminellen und Halbweltfiguren. Und Schurken braucht es in diesem Genre wie Seife im Spender.

Sex. Zeitweilig spielte das Stück, zumindest in den Zeugen-Erzählungen, auch im Rotlichtmilieu. Annähernd semisexuell wurde es beim inhaltlich wichtigen Bereich Schamhaare. Die Schilderungen im Zeugenstuhl des Leverkusener Managers Reiner Calmund in Staffel 2, Folge 21, wie sich Daum die Corpora delicti „selbst aus der Unterhose entnommen“ hatte, waren sogar hollywoodreif. Passend sagte Calmund: „Ich wusste nicht, in welchem Film ich gelandet bin.“

Prominenz. Calmund hatte eine der schönsten Rollen. Etwa sein vollmundiger Bezug zum wirklichen Leben: „Das Kokain war Christoph Daums 11. September.“ Legendär die Zeugenaussage von Gutachter Prof. Käferstein, der vom Analyseauftrag Kunde gab: „Herr Calmund hat das als Sackhaarprobe bezeichnet; aber ich wusste schon, was gemeint war.“ Vielleicht hätten sich die Macher durchringen sollen, mehr Prominenz in den Plot einzubinden, etwa den aktuellen Haarfachmann Schröder (Kanzler, ungefärbt). In „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ war der Mann schließlich auch mal dabei.

Nebenrolle. Eine Fehlbesetzung war der verdeckte Ermittler Heinz Fink. Der Exoberstaatsanwalt (Mitglied des DFB-Kontrollausschusses) war als Verbands-Beobachter Nebenankläger. Seine prozesstäglichen Rapports hätten Daum den GAU bringen können: Entzug der Trainerlizenz, schlimmer als jede Geldstrafe. Doch Fink war handzahm, er lobte Daum, und Daum lobte ihn: „Der macht doch gute Arbeit“, so der Trainerdarsteller am Rande des Set, „mit dem komme ich gut aus.“

Rollentote. Etwas fader wurde die Serie, als zwei mitangeklagte Dealer nach Ostern aus dem Skript rausgeschrieben wurden. In anderen Soaps sterben sie, hier wurden sie wegverurteilt. Formatwidriges Rollenvergehen: Sie hatten zu viel geschwiegen – nämlich immer. Lauschen konnte man ihnen dennoch, in den wunderbaren Mitschnitten abgehörter Telefonate. Die Koblenzer Gerichtsseifenoper als Stummfilm mit Off-Tönen, die gelungene Neubelebung eines alten Genres. Nur Daum maulte. Er fand durch die Telefonate („Hallo, ja, nee, äh, hier ist der Christoph, äääh“) seine „Würde wirklich verletzt“.

Product Placement. Was im normalen TV-Leben die richtige Cola-Sorte oder ein Designerlogo, war in der Koblenzer Soap Opera das Asterix-Heft, das Christoph Daum einmal als Lektüre mitbrachte. Nicht als Beweismittel, dass er statt Koks den Zaubertrank (straffrei!) eines Ligadruiden genommen hat, sondern als zweifache Werbebotschaft. Erstens für sich selbst – Daum sah sich nämlich in der Rolle des gallischen Kleindorfkriegers: „Meine Anwälte und ich lassen uns nicht von Rom, sprich Koblenz, unterkriegen …“ Zweitens war gerade ein Asterixfilm in den Kinos angelaufen.

Dennoch, die Medienberichte wurden spärlicher, und wenn, setzte es oft harsche Kritik am Showprozess mit dem Promimalus. Auch vor Ort sank die Quote: Anfangs mussten Zuschauerplätze verlost werden, bald gab es nur noch ein kleines Stammpublikum. Mehrfach wurde der Gerichtssaal gewechselt. Aber auch das half nicht.

Also wurde schon im achten Monat das Urteil geboren: niedliche 10.000 Euro Geldbuße an eine soziale Organisation. „Mein Mandant möchte, dass das Geld an eine Einrichtung gezahlt wird, in der Jugendliche mit Drogenproblemen betreut werden“, sagt Verteidiger Stankewitz. Der gefallene Held ist wieder aufgestanden und tut Gutes. Ein versöhnliches Ende. Und trotzdem bleibt auch in „Daily Daum“ das typische Seifenoper-Charakteristikum der never ending story: Mit seinem ramponierten Image könne er, sagt der glückliche Daum, jetzt „nur die Zeit für mich arbeiten lassen“. Doch das ist Schnee von morgen.