Revolutionärssohn mit eigenen Ansichten

Der bekannteste Regimekritiker Kubas wird vorzeitig aus der Haft entlassen – ein Signal an Ex-US-Präsident Carter

BERLIN taz ■ „Ich glaube, dass ich in nicht allzu ferner Zeit einen Wechsel in Kuba erleben werde.“ Mit diesen Worten machte ein etwas bleich und müde wirkender Vladimiro Roca am Sonntag klar, dass er seine politische Arbeit auch nach seiner fünfjährigen Haftzeit weiterführen will. Der Dissident wurde am Wochenende überraschend aus dem Gefängnis entlassen, wo er von seiner Frau Magaly de Armas und Angehörigen empfangen wurde.

Der 59-jährige Vladimiro Roca Antúnez ist einer der bekanntesten kubanischen Oppositionellen und gilt als führendes Mitglied von Menschenrechtsgruppen. Zusammen mit Felix Bonné, Rene Gómez und Beatriz Roque hatte sich Roca zu der so genannten Internen Dissidentengruppe zusammengeschlossen, die im Juni 1997 in Kuba für Aufregung sorgte. Vor ausländischen Journalisten gaben der ehemalige Luftwaffenpilot und seine Mitstreiter damals eine Pressekonferenz, auf der sie den Programmentwurf für den damals anstehenden fünften Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas öffentlich kritisierten.

Außerdem übergaben sie den Journalisten ein Papier mit dem Titel „La patria es de todos“ – mit dem Hinweis „Das Vaterland gehört allen“ verlangten sie unter anderem internationale Wahlbeobachter für die anstehenden Kommunalwahlen. Gleichzeitig war das Papier aber auch eine Analyse der sozioökonomischen Situation Kubas: Roca, Wirtschaftslehrer und Spezialist auf dem Gebiet der internationalen Wirtschaftspolitik, forderte darin alle ausländischen Unternehmen auf, nicht mehr auf der Insel zu investieren.

Dass sich Fidel Castro eine solche öffentliche Provokation nicht gefallen lassen würde, muss dem Sohn des früheren kubanischen KP-Führers und -Gründers Blas Roca dabei klar gewesen sein. Zu groß ist der Druck, den das sozialistische Regime auf die schätzungsweise 1.200 Dissidentengruppen ausübt. Überwachung, Kurzinhaftierungen und Abschiebungen gehören dabei zu den gängigen Methoden. Am 16. Juli 1997 wurde Roca denn auch zusammen mit den anderen führenden Mitgliedern der Internen Dissidentengruppe verhaftet.

Die kubanischen Behörden warfen ihnen „Anstiftung zum Aufruhr“ vor: Aufruf zum Wahlboykott, Bedrohung ausländischer Investoren, Verbreitung von Unwahrheiten über die Wirtschaftslage in Kuba, Entgegennahme von Unterstützung vom US-amerikanischen Geheimdienst und Verbindung zu terroristischen Anti-Castro-Gruppen in den USA. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde Roca am 15. Februar 1999 zu einer fünfjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, auch die anderen Mitglieder der Gruppe erhielten Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren. Zuletzt saß Roca im Gefängnis von Ariza in der Provinz Vienfuegos.

Politiker und Menschenrechtsgruppen aus aller Welt hatten in den letzten Jahren die Freilassung von Roca gefordert, sogar Papst Johannes Paul II. hatte sich dafür eingesetzt. Selbst die deutsche Rockband Die Toten Hosen half auf ihre Weise: Sie schmuggelte während einer Konzerttour für amnesty international Gelder für die Familie ins Land. Dass Roca vorzeitig entlassen worden ist, werten Beobachter als Zeichen des guten Willens vor dem Besuch des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter in Kuba am kommenden Sonntag. SUSANNE AMANN