Die Menschmaschine Tima

„Metropolis“, die Mutter der Science-Fiction-Filme, wird zum Anime: Drei Generationen japanischer Comic-Künstler zeichnen für die Adaption „Robotic Angel“ verantwortlich

Effektiv wie selten wurden Zeichentrick und Computeranimation fusioniert

Es gibt Filme, die haben nicht alle gesehen, doch jeder kennt sie. „Metropolis“ ist so ein Film. Auch Osamu Tezuka war nicht im Kino, um die Mutter des Science-Fiction-Genres zu studieren. Das hielt den legendären Manga-Autor nicht davon ab, in den 40er-Jahren einen gleichnamigen Comic zu zeichnen, der Ideen und Thematik des Fritz-Lang-Klassikers aufnahm. Einzige Inspiration für den Japaner, wird gesagt, war ein Plakat des Films.

„Robotic Angel“, der Film zu Tezukas Manga, entstand mehr als ein halbes Jahrhundert später und gilt manchen nun als neuer Anime-Standard. Doch nur die ersten Minuten, eine furiose Montage aus aberwitzigen Kamerafahrten, ekstatischem Jazz, explodierenden Farben und dramatischen Helldunkelkontrasten, scheinen alle verfügbaren technischen und künstlerischen Möglichkeiten modernster Animation ausloten zu wollen. Dann wird das Tempo auf ein konsumierbares Maß zurückgefahren, während weiterhin ein ungeahnter Detailreichtum, unerwartete Perspektiven und immer neue Inszenierungsideen zu bestaunen sind. Dazu wurden so effektiv wie selten zuvor klassischer Zeichentrick und Computeranimation fusioniert.

Die Technik ist also auf dem allerneuesten Stand, das Thema aber gut abgehangen. Auch wenn „Robotic Angel“ nur mehr sehr lose auf „Metropolis“ basiert, sind die Parallelen doch augenfällig: In beiden Filmen lebt die Gesellschaft fein säuberlich verteilt auf verschiedenen über- und unterirdischen Ebenen. So wie der alte Fredersen versucht in „Robotic Angel“ ein gewisser Duke Red die Herrschaft über das molochartige Metropolis an sich zu reißen, indem er von einem durchgeknallten Wissenschaftler einen Roboter mit weiblichem Antlitz erschaffen lässt. Neu ist: Die Gesellschaft ist in „Robotic Angel“ nicht geteilt zwischen herrschender Klasse und Arbeitssklaven, sondern zwischen Menschen und Robotern. Die Menschmaschine Tima, von Duke Red erkoren, als emotionslose Krone der Schöpfung über den Planeten zu herrschen, entwickelt Gefühle. In der Atmosphäre eines Film noir treibt die Handlung der Apokalypse zu, während der Ray Charles „I Just Can't Stop Loving You“ singt.

Einige der Einflussreichsten aus drei Generationen japanischer Comic-Künstler zeichnen verantwortlich für „Robotic Angel“: Ausgehend von der Vorlage des mittlerweile verstorbenen Tezuka schrieb „Akira“-Regisseur Katsuhiro Otomo das Drehbuch und der aktuell schwer beschäftigte Rintaro führte Regie. Möglicherweise war da auch ein Genie zu viel am Werk: Denn eine allzu große Zahl an Erzählsträngen scheint sich in die Quere zu kommen. Und viel zu viele grundsätzliche Fragen werden gestellt, auf die zu wenige Antworten überhaupt gesucht werden. Denn so liebevoll auch die visuelle Umsetzung, so oberflächlich bleibt die Zeichnung der Charaktere. Das allerdings bleibt nur ein Schönheitsfehler.

Erst im Herbst wird „Robotic Angel“ in die hiesigen Kinos kommen. An so sinnträchtiger Stelle wie heute aber anlässlich der Eröffnung des diesjährigen Museumsinselfestivals wird er wohl nicht noch einmal zu sehen sein. Man braucht nur links vorbei zu blicken an der 200 Quadratmeter großen, aufblasbaren Leinwand und kann den Potsdamer Platz sehen. Weil auch die Liegestühle mit umgezogen sind von der Alten Nationalgalerie zum Kulturforum können nun bequem liegend Tezukas Visionen von der Stadt der Zukunft direkt verglichen werden mit den vergleichsweise biederen Entwürfen aktueller Architektur.

THOMAS WINKLER

8. 5., 21.30 „Robotic Angel“, 9. 5., 22 Uhr „Metropolis“, jeweils Kulturforum Potsdamer Platz, Tiergarten