Wowereit lässt Australien sausen

Nach CDU-Protesten: Berlins Regierender will lieber auf Präsident Bush warten – obwohl der keine Zeit für ihn hat

BERLIN taz ■ Der Besuch des US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush in Berlin am 22./23. Mai bringt Klaus Wowereit um eine Australienreise. Der Regierende Bürgermeister, der zum Zeitpunkt des Bush-Visite als Bundesratspräsident in Australien weilen sollte, bleibt nun doch in Berlin. Die CDU-Opposition hatte ihn zuvor zum Rücktritt aufgefordert – entweder von der Reise oder von seinem Amt. Eine Bush-Begrüßung ohne den Regierenden Bürgermeister sei schäbig, meinte die Union. Wowereit warf der CDU daraufhin parteitaktisches Kalkül vor: „Das schadet dem Ansehen der Stadt, und deshalb werde ich hier sein.“

Dabei ist bislang trotz Bemühungen der Berliner Senatskanzlei kein Treffen zwischen Wowereit und Bush vorgesehen. Dem Bürgermeister wäre daher der schon seit Jahresanfang geplante Abstecher als Bundesratspräsident gelegen gekommen, um eine Brüskierung zu vermeiden, heißt es in Parlamentskreisen.

Der PDS erspart Wowereit nun eine peinliche Situation. Vertreter des Bürgermeisters im Falle der Abwesenheit ist PDS-Frontmann Gregor Gysi. Dessen Partei plant, sich an Protesten gegen Bush zu beteiligen. Gysi hätte also womöglich dem US-Präsidenten die Hand schütteln müssen, während draußen seine Partei protestiert. Gysi hatte den Bush-Besuch als „richtig und gut“ bezeichnet. Er fühle sich aber dennoch frei, gegen Bushs Politik zu demonstrieren – mit einer Einschränkung: wenn er wolle. Davon geht derzeit allerdings niemand aus. Gysis Terminkalender sei zu voll, heißt es. Für den Besuch des US-Präsidenten sind bisher drei Demonstrationen von Friedensgruppen und Globalisierungskritikern angemeldet. Anders als für den 1. Mai kündigte Berlins Innensenator Erhart Körting „massive Polizeipräsenz“ für Bushs Visite an. „Lasst uns seinen Besuch mit vielfältigem und buntem Widerstand zum Fiasko machen“, heißt es unter www. stressfaktor.squat.net. Demonstrationen sind auch in Stuttgart, Bonn, Düsseldorf, Leipzig und Lüdenscheid vorgesehen.

Die US-Botschaft hatte zuvor Meldungen dementiert, nach denen ihre Experten sich nach dem 1. Mai irritiert über die Sicherheitslage in Berlin gezeigt hätten. Ein Botschaftssprecher bezeichnete die Zusammenarbeit mit den deutschen Sicherheitsbehörden als „ausgezeichnet“.

STEFAN ALBERTI