Gibt es etwas Besseres als den Tod?

Dea Loher und Andreas Kriegenburg setzen am Thalia in der Gaußstraße ihre Arbeit an der schnell produzierten Serie fort: „Magazin des Glücks 5: Sanka“ kreist – wie gewohnt in grotesker Überspitzung – um das Thema Tod

In einem Krankenwagen älteren Baujahrs hocken gemütlich zwei Ärzte, rauchen und begucken den Notfall, der vor ihnen auf der Bahre liegt. „Lungenembolie“, schätzen sie und raten noch Alter, Beruf und Blutgruppe des Patienten. Nachdem sie ihm die finale Spritze gegeben haben, erhalten sie von einer mafiösen Sarg-Verkäuferin aus einer Urne „Geld für Sterbenlassen und Schweigen“.

Der Tod im Spätkapitalismus –ein würdeloses Unternehmen. Um diese These kreist das kurze, schrille Stück Sanka (Abkürzung für „Sanitätskraftwagen“), Teil fünf der Reihe Magazin des Glücks im Thalia in der Gaußstraße. Wie zuvor bei Licht, Hände, Deponie und Hund haben Hausautorin Dea Loher und Oberspielleiter Andreas Kriegenburg innerhalb weniger Wochen auf Zeiterscheinungen reagiert und erneut eine grotesk überspitzte, aber auch treffsichere Skizze auf die Studio-Bühne gebracht.

„Wir möchten Sie herzlich um Ihre Mithilfe bei unserer Aufnahme bitten“ und „ein fröhliches deutsches Gesicht zu polnischer Veranstaltung“ machen, tönt es gleich zu Anfang aus Megaphonen. Interaktiv und multimedial, aus Mitteln von Reality-TV und Volkstheater, Soap-Opera und zeitgenössischem Kino gestalten Loher und Kriegenburg ihr Sterbe-Stück als Farce. Theater-Besucher erhalten Reklame-Bonbons des Bestattungshauses und werden als Patienten gnadenlos in den Sanitätswagen geschleppt. Ein vorgeblich polnisches Dogma-Team filmt das ganze klamaukige Geschehen. Zu dem gehören auch zwei kleine Guckkasten-Bühnen, die das dumpfe Privatleben der beiden Ärzte (Jörg Lichtenstein, Markwart Müller-Elmau) vorführen. Ist eine Szene vorbei und der Kranke „gestorben“, schreit auch die alerte Regisseurin (Maren Eggert) „gestorben“ – die Aufnahme ist damit filmreif.

„Etwas Besseres als den Tod findest du überall“, heißt es im Märchen. Auf die Gesellschaft in Sanka trifft das so nicht zu. Zwar wird der Tod in der Öffentlichkeit zum dreisten Medienspektakel, und das Sterben in der Familie – in Zeiten eines maroden staatlichen Gesundheitssystems und viel diskutierter Sterbehilfe – zur Last: Doch auch der archaische Gegenentwurf zum Tod, die Liebe, ist seiner Kraft und seines Sinns vollständig beraubt. Deshalb lässt Loher, die 37-jährigen Bayerin, den bigotten Pfarrer vom herabstürzenden Kreuz erschlagen, und die Arztfrau sinnieren, dass sie vielleicht doch besser den Schlachter geheiratet hätte, denn der besitze inzwischen drei Filialen.

Eine Skizze ohne Ewigkeitsanspruch, plakativ und am Ende mit Längen, doch für Momente geht Sanka unter die Haut, denn das Stück berührt menschlich Wahres. Dank ihres messerscharfen Sprachwitzes, der sich gern des Dialekts bedient, und inbrünstig agierender Schauspieler wirkt die kleine Tragödie zugleich so unterhaltsam und urkomisch, dass mancher Besucher nur noch „Oh, Gott“ japsen kann. Ulrike Cordes

weitere Vorstellung (mit Magazin des Glücks 4: Hund): So, 12.5.; das ganze Projekt, das vergangenen Oktober begann, endet am 8. Juni mit der Gesamtschau 7 Stunden Glück am Stück