Schweiß und Glück

Schnurrbart und Speck: Die norwegischen Könige des Rock ’n’ Roll Gluecifer machten sich das SO 36 untertan

Noch steht er leer da, der Thron des Rock ’n’ Roll. Die Vorband Moustache, Ehre, wem Ehre gebührt, hat ihn zügig frei gemacht. Unter einer gigantischen Krone mit der Aufschrift „Kings of Rock“ steht das Schlagzeug und wartet auf seinen Meister. Die bereits bierselige Meute blickt sehnsuchtsvoll auf die Bühne. Ein Jahr ist es her, dass Gluecifer, die Könige des Rock ’n’ Roll, sich die Bühne des SO 36 untertan machten, und ihre Untergebenen sind ungeduldig. Ohne Vorwarnung stürmen die fünf Norweger auf die Bühne, packen die Gitarren und legen los.

Diesmal gibt es keine Pornobrillen und weiße Lederjacken. Gitarrist Raldo Useless trägt Schnurrbart und Westernhemd, der speckige Frontmann Biff Malibu ist in Anzug und Glitzerkrawatte verpackt. Er schiebt den Unterkiefer vor und röhrt ins Mikro: „I got a goddamn war and I got it with you, what you’re gonna do?“ Gluecifer sind die Könige, vom ersten Song an haben sie das SO fest im Griff. Fäuste recken sich gen Himmel, Mähnen werden geschüttelt und schon beim zweiten Gitarrenknaller bildet sich ein Pit, in dem die Gliedmaßen durcheinander fliegen. Wer es schafft, still zu stehen, hat ein verzücktes Lächeln auf dem Gesicht und wippt willenlos mit dem Kopf.

Die ersten fünfzehn Minuten servieren die norwegischen Priester des Schweinerock alle schweißtreibenden Klassiker des letzten Albums „Tender is The Savage“. In unvermindertem Tempo geht es weiter und auch die Rockposen gehen nicht alle: Von unten angestrahlt, stehen die beiden Gitarristen links und rechts auf Podesten und lassen unter großem Jubel die Arme kreisen wie Windmühlen. Synchron natürlich. Kurz schwebt der Geist von „The Who“ im Raum, um dann von einem dreckigen „Babay“ aus Biffs Kehle verjagt zu werden. Im Publikum sind plötzlich lauter Automechaniker mit Öl an den Händen und unbändigem Durst. Frauen reißen sich die Jacken vom Leib und lassen die Hüften kreisen, selbst schüchterne Brillenträger werden zu Tieren.

Gluecifer errichten im bescheidenen SO 36 eine Church of Rock ’n’ Roll und vollziehen die heiligen Weihen mit spritzendem Bier und unglaublicher Begeisterung. Sogar schwächere Songs wie „Round and Round“, die auf der neuen Platte „Basement Apes“ etwas vor sich hin dümpeln, werden bei dieser Live Show zu Granaten. Zum Schein lassen sich die fünf Herren zur Zugabe bitten, doch sie brauchen nicht länger als fünf Sekunden, um wieder an ihren Instrumenten zu sein. Die erste Zugabe ist „Easy Living“, der beste Song des neuen Albums.

Der zweite Gitarrist spielt mit nacktem Oberkörper, Raldos weißes Westernhemd ist klatschnass und Biffs Gesicht ist so rot, dass man einen drohenden Kollaps befürchtet. Mit einem fulminanten „God’s Chosen Dealer“ verabschieden sich die Könige aus der Arena. Sie hinterlassen leere Bierflaschen und verschwitzte, aber glückliche Gesichter. NINA APIN