Verschwende deine Tugend

Auf Bands warten nervt, buddhistische Schlager auch: Bernadette La Hengst sang im Bastard schnell ihre Worte weg

Früher hatten Frauen gerne „Mach mir den Hengst“ gesagt und dabei mit den Augen gerollt. Das war ein Zitat aus einem witzigen Film mit Gérard Depardieu und viele fanden das „schön bescheuert“. Wieso Bernadette La Hengst Bernadette La Hengst heißt, weiß ich nicht. Irgendwann während ihres von zwei jungen Männern begleiteten Auftritts am Mittwochabend im „Bastard“ erklärte sie es, aber man konnte es nicht verstehen, weil man zu weit hinten stand.

In den Neunzigerjahren war Bernadette La Hengst mit ihrer Band „Die Braut haut ins Auge“ berühmt geworden. Einmal, vor drei oder vier Jahren, hatte „Die Braut haut ins Auge“ auch auf der „Fusion“ gespielt und die Sängerin hatte am Ende die ganzen netten Drogenleute beschimpft, für die die Band eine Art Warm-up für die Goa-Acts gewesen war. Das war lustig gewesen zu sehen, wie das alles nicht zusammenpasst – Schlagerrock, Techno und Goazeug – andererseits auch seltsam, dies quasi antipsychedelische Ressentiment. Egal. Nun also Solokarriere und erste Soloplatte. Seit zwei Wochen nervt das Titelstück im Kopf herum oder eigentlich nur der nenamäßig, eingängige Zweizeiler – „der beste Augenblick in deinem Leben / ist gerade jetzt gewesen“. Babababababababa.

Neulich hatte sie den auch stilvoll am Kottbusser Tor posierend im Fernsehen erklärt. Das wäre also die Antwort gewesen, die ein buddhistischer Mönchslehrer seinem Schüler auf die Frage nach seinem schönsten Augenblick gegeben hätte, bedeute also so etwas wie „Lebe den Augenblick“. Als man das so hörte, dachte man, dass weder Frage noch Antwort buddhistisch sind, sondern eher für den Marktgebrauch ausgedacht. Dann sagte der Fernseher, das es Bernadette La Hengst auch um „Grenzüberschreitungen“ gehe, und die Sängerin rauchte eine Zigarette auf dem Bahnsteig und schnippte sie dann tabubrecherisch auf den Boden.

Man wartete zwei Stunden, bis das Konzert endlich anfing gegen zwölf, und schaute sich leicht genervt die Leute an, die da rumstanden: Eine Frau hatte zum Beispiel einen Hut auf, ein Typ trug ein T-Shirt, das für Lipotamin, den schicken thailändischen Energydrink, warb. Auf Bands zu warten nervt. Entschlossen, unbeirrt gegen die Konsumterrorzellen zu kämpfen, trinkt man extra nichts.

Zunächst standen zwei Menschen in weißen Hemden mit Schlips und Gitarren auf der Bühne. Später gesellte sich ein dritter zu ihnen. Die Gitarren wurden von einer Drummachine begleitet. Alles klang sehr nenamäßig, schlagerhaft, eingängig, erinnerte an diese Grauen erregende „Neue Deutsche Welle“ und schien ernst gemeint zu sein. Das zweite Stück hieß „Wehtun“, spielte auf Masochismus an und wurde auch durchbuchstabiert: „We, e, ha, te, u, en“. Gern spielten die Gitarren auch etwas „funky“ und Bernadette La Hengst sang schnell ihre Worte weg. Funk hat ja meist so etwas angeberisch abstoßendes und Jazzrock ist eine üble Verirrung. Zwischendurch sagte sie, dass sie „poppen“ gut findet und dass sie ja nun schon zwölf Tage auf Tournee seien und den ganzen Tag über Sex reden würden, „wir reden aber nur – Scheiße!“ Und nun „verschwende deine Jugend Teil 2“: „der beste Augenblick deines Lebens“. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, war nicht ganz einsichtig. So ging es noch eine Weile und war später dann zu Ende. DETLEF KUHLBRODT