Halb vier soll es sein

Fußballfans demonstrieren morgen vor dem Pokalfinale für Stehplätze in den Stadien, sowie gegen Kommerzialisierung und übermäßige Polizeibegleitung. Antifa befürchtet Teilnahme rechter Hools

von CHRISTOPH SCHULZE

Am Sonnabend, 12 Uhr, auf dem Alex findet sie statt: die allererste gemeinsame, vereinsübergreifende Demo von deutschen Fußballfans. Im Windschatten des am gleichen Tag stattfindenen DFB-Pokalfinales (Schalke 04 gegen Bayer Leverkusen) erwarten die Demo-Organisatoren der Initiative „Pro 15.30 – Kein Kick ohne Fans“ 2.000 Teilnehmer. Unter dem Motto „Raus aus dem Abseits“ soll gegen den fortschreitenden Kommerz um das runde Leder, für einheitliche Spielpläne, für Stehplätze und gegen Polizeiwillkür protestiert werden. Kurzum: Um den „Erhalt der Fankultur“ geht es.

„Der Zuschauer wird mehr und mehr auf den Inhalt seiner Geldbörse reduziert“, lautet der Vorwurf von „Pro 15.30“ an die Profivereine. Durch die Orientierung auf Fernsehsender-Interessen drohe das Ende der „über Jahrzehnte gewachsene Fankultur, der Stimmung und Atmosphäre im Stadion“. Jetzt, in Zeiten der Kirch-Pleite, müssten die Vereine Einsicht zeigen und sich wieder stärker ihren Anhängern widmen. Spiele sollten nach Meinung der Faninitiative traditionsgemäß wieder an Wochenendtagen um 15.30 Uhr stattfinden und der Umbau vieler Stadien zu reinen Sitzplatzarenen gestoppt werden. Das schade der Atmosphäre und somit letzlich auch den Vereinen: „Kein Chor der Welt singt im Sitzen“, weiß etwa „Pro 15.30“-Vertreter Martin Kößler.

Die Initiative verhehlt nicht, dass sie nur eine Minderheit der Fußballfans repräsentiert. Doch die weiß, was sie will, und demonstriert dafür, obwohl das freilich eine „für uns untypische Form der Meinungsäußerung ist.“

Dann wäre da noch die Sache mit der Polizei: Bei Auswärtsspielen würden die Fans regelmäßig bereits am Bahnhof eingekesselt und zum Stadion eskortiert. Es käme zudem häufig zu unbegründeten Ingewahrsamnahmen, Utensilien wie Fahnen und Megafone würden grundlos beschlagnahmt. Doch die Fans haben keine Lust mehr, „wie Schwerverbrecher behandelt zu werden“.

Die „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP) hat kein Verständnis für die Vorwürfe der Faninitiative. „Friedliche Fans“, so der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg, „können sich so sicher fühlen wie in Abrahams Schoß.“ Zudem habe der gestiegende Sitzplatzanteil für einem Rückgang der Gewalt in den Stadien gesorgt.

Nach Angaben von Kay Bernstein von „Pro 15.30“ gibt es für die Fandemo selbst „erstaunlicherweise“ keine Auflagen von Seiten der Polizei. „Es wurde uns versichert, dass es kein Spalier oder dergleichen geben wird“, lobt Bernstein die „Deeskalation“ der Polizei.

Unklar ist, ob und inwieweit sich Hooligans und Rechtsextreme an der Demo beteiligen wollen. Nach Informationen des „Antifaschistischen Pressearchivs“ kursieren entprechende Aufrufe in der Szene. Die Bremer Hoolband „Kategorie C“ ruft etwa auf ihrer Homepage ihre Anhänger zum Demobesuch auf. „Kategorie C“ ist die polizeiliche Bezeichnung für gewalttätige Fußballfans. Die Band ist laut Antifaschistischem Pressearchiv der Grauzone zwischen Hooligan- und Neonazi-Szene zuzurechnen. Ein für heute geplantes Konzert in Dallgow bei Berlin wurde nach Auskunft des Pressearchivs zwar zwischenzeitlich vom Ordnungsamt verboten, doch erfahrungsgemäß sei damit zu rechnen, dass die Konzertveranstalter sich einen Ausweichort suchen.

Demo-Mitorganisator Kay Bernstein distanziert sich von eventuellen rechten Vereinnahmungsversuchen: „Aber wir können natürlich niemand verwehren, in der Demo mitzulaufen, solange keine politischen Statements kommen. Auch Hooligans gehören auf eine Art ja zur Fankultur.“