Ein Buhmann reicht nicht aus

Nach dem deklassierenden 99:71 gegen die Frankfurt Skyliners benötigen die Basketballer von Alba Berlin nur noch einen Sieg zum Einzug ins Meisterschaftsfinale

BERLIN taz ■ Eine Mannschaft, die das erste Match einer Play-off-Serie in eigener Halle verloren hat, kommt mit ganz besonderer Motivation zur zweiten Partie. Im Bewusstsein, bei einer weiteren Niederlage schon so gut wie aus dem Rennen zu sein, nimmt man sich vor, alles besser zu machen und den Gegner von der ersten Sekunde an unter Druck zu setzen. So gesehen müssen sich die Frankfurt Skyliners im Halbfinale um die deutsche Basketball-Meisterschaft bei Alba Berlin vorgekommen sein wie im falschen Film. Bevor ihnen überhaupt die ersten Punkte gelangen, hatten sie schon vier Ballverluste und drei Fouls auf dem Buckel. Alba spielte vor 7.522 Zuschauern mit einer Intensität, welche die Skyliners komplett überforderte, und lag schon bald komfortabel in Führung. „Es stand nur eine Mannschaft auf dem Platz“, klagte Frankfurts Coach Gordon Herbert später, „wir waren bloß Zuschauer.“

Am Ende hieß es 99:71 für die Berliner, denen ein Sieg morgen in Frankfurt bereits den Einzug ins Finale bringen würde – mutmaßlich gegen Köln, das mit einem 105:76 gegen Bonn ebenfalls 2:0 in Führung ging. Dass die Niederlage der Hessen in Berlin nicht noch verheerender ausfiel, lag an ihrem Reserve-Spielmacher Kai Nürnberger, der die Gastgeber im zweiten Viertel kurz aus dem Konzept brachte. Seit der Exnationalspieler vor vielen, vielen Jahren dem damaligen Alba-Star Alibegovic die Hand brach, ist er Hassobjekt Nummer eins für das Berliner Publikum. Doch als berge sein Körper ein kleines Kraftwerk, das Abscheu in Adrenalin verwandelt, nährt er sich von den Schmährufen und betätigte sich auch am Mittwoch wieder als echte Giftspritze. Voller Tücke schlug er dem doppelt so großen Alba-Center George Zidek auf die kürzlich operierte Hand. Als habe jemand einen Knopf gedrückt, sprang Zidek an, war kaum zu bändigen beim Versuch, Nürnberger an den Kragen zu gehen, und wurde prompt von den Schiedsrichtern in die Kabine geschickt. Die fälligen Freiwürfe verwandelte der Buhmann selbst ultracool mit diabolischem Grinsen, danach tat er, was vor ihm kein Mitspieler geschafft hatte: konstant punkten. Der Rückstand schrumpfte auf 13 Zähler, näher kamen die Sykliners den Berlinern aber nicht mehr. Die meisten Beteiligten taten die hitzigen Szenen später als „typisch Play-off“ ab, nur Zidek war zerknirscht: „Ich habe in der NBA und bei großen europäischen Klubs gespielt. Ich darf nicht die Beherrschung verlieren.“

Gordon Herbert brachte die überraschende Überlegenheit der während der Saison schwächelnden Berliner gegen die beste Mannschaft der Punktrunde auf einen einfachen Nenner: „Sie haben als Team gespielt, wir nicht.“ Belege dafür sind 18 Assists von Alba, gegenüber gerade mal sechs von Frankfurt. Ebenso gravierend die Überlegenheit der Gastgeber unter dem Korb, wo sie 38 Rebounds einsammelten, die Skyliners hingegen nur 29.

Alba, fast schon abgeschrieben, ist nach der massiven Steigerung in den Play-offs nun wieder Titelfavorit. Coach Emir Mutapcic mag nicht mehr schauen, „was gewesen ist“, aber auch nicht zu weit in die Zukunft. „Wir müssen in der Realität bleiben“, mahnt er zur Vorsicht, „es steht 2:0.“ MATTI LIESKE