„Hier wird nichts verbogen“

Meinfried Striegnitz, Präsident des Niedersächsischen Amtes für Ökologie, zu der Behauptung, südöstlich von Hamburg lägen gefährliche Atomkügelchen in der Erde

taz: Gutachter wollen neue Belege für einen Atomunfall in der Atomforschungsanlage Geesthacht bei Hamburg im September 1986 gefunden haben. Das Niedersächsische Landesamt für Ökologie forschte dort bereits im Januar 2001 nach, konnte aber keine außergewöhnliche Radioaktivität feststellen. Sehen Sie jetzt neuen Handlungsbedarf?

Meinfried Striegnitz: Wir haben die damaligen Warnungen sehr ernst genommen. Sie gingen auf Bodenproben von Heinz Werner Gabriel zurück, dem Leiter einer Gießener Gutachtergruppe im Auftrag der Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs, der jetzt auch die neuen Ergebnisse präsentiert hat. Wir sind damals mit Herrn Gabriel zusammen an die Elbe gefahren und haben die Proben an den von ihm vorgegebenen Stellen genommen. Wir haben sie in unserem Labor untersucht und dabei keine Radioaktivität gefunden, die über die normale Strahlung und die Auswirkung von Tschernobyl hinausging.

Auch im Hinblick auf die neuen Ergebnisse halten Sie Ihre früheren Untersuchungen für ausreichend?

Ja, wir stehen zu unseren Ergebnissen. Jetzt ermitteln zwei Staatsanwaltschaften. Wir sollten erst einmal deren Ergebnisse abwarten.

Die Gutachter sagen, sie hätten Substanzen nachgewisesen, die Produkte einer Kernspaltung seien. Diese seien durch einen Unfall in der Umgebung der Forschungsanstalt Geesthacht verbreitet worden.

Das müsste ja im Umkreis der Anlagen damals bemerkt worden sein.

Das benachbarte AKW Krümmel hat tatsächlich am 12. September 1986 außergewöhnliche Strahlung registriert, die aber als natürliche interpretiert wurde.

Als Wissenschafter interessieren uns Daten, Zahlen, Fakten. Wir haben untersucht, ob eine Gefährdung vorliegt – und nichts gefunden. Wir haben auch sauber nachgewiesen, dass die Zusammensetzung der im Boden gefundenen Kügelchen nicht den Schluss zulässt, dass sie aus Kernspaltungs- oder Kernfusionsexperimenten stammen.

Die Gießener Gutachter wollen die Spaltprodukte Lithium, Beryllium, Thorium und verschiedene Transurane ermittelt haben. Die Untersuchung hat zum Beispiel Professor Arthur Scharmann unterzeichnet, der Leiter der Zivilschutzkommission von Bundesinnenminister Otto Schily. Wie können namhafte Wissenschaftler zu gegenteiligen Ergebnissen kommen wie Sie?

Das Bundesamt für Strahlenschutz hat ebenso wie die Experten der Strahlenschutzkommission des Bundes bestätigt, dass wir solide und sauber gearbeitet haben. An den damaligen Untersuchungen der Gutachter gab es dagegen Kritik.

Die Ärzte und ihre Gutachter argwöhnen, die offiziellen Stellen würden einen Atomunfall vertuschen. Können Sie sich das vorstellen?

Nein, absolut nicht. Wir sind in unseren fachlichen Aussagen völlig unabhängig. Das sieht auch das Umweltministerium in Hannover so. Hier wird nichts verbogen. Was Fakt ist, ist Fakt.

INTERVIEW: HANNES KOCH