Die Teddystürzer von Bremen

■ Aus 80 Metern Höhe schmeißen sie Stoffbärchen mit Fallschirmen auf die Erde. Es gibt auch Marsupilamis mit Doppelfallschirmen und Bungeesprünge. Und alles ist wahr

Kuschelstreichelknuddelwu-schel. Das ist echt lang her. Heute vergammeln sie auf dem Speicher oder in Koffern, sind out, ja nicht mal mehr old school – aber dass man die guten alten Staubfänger einfach aus schwindelerregender Höhe abwirft, haben sie eigentlich nicht verdient – immerhin können sich Teddys ja nicht wehren.

Und da sitzen die Absturzkandidaten: Charly, das Krokodil, Dieter, der Waschbär, der Elch von Ikea oder Josephine mit ihren schwarz-roten Knopfaugen und flauschigem beige-braunem Fell. Für ihre Teddys haben Klaus Dieter Franke und Uwe Herrmann kleine bunte Fallschirme gebastelt, die in Mini-Ruck-säcken auf dem Rücken der Tierchen stecken. Und dann lassen die Bremer Springtierfreunde die Stoffleichen wochenends im Weseruferpark abstürzen – und freuen sich einen Bären dran.

Im Prinzip ist alles ganz einfach: Ein sogenannter Lenkdrachen mit fünf Quadratmeter Fläche steigt in die Luft. An der Drachenschnur befestigen die Springtierfreunde an einer Schnur einen weiteren kleinen Drachen, die sogenannte „Fähre“, die mit dem Wind an der Schnur aufsteigt. Dran hängen die Teddys: Balu, der Bär, der rosa Elefant Pinky oder der Affe Kasimir gehen so auf 50 oder 80 Meter Höhe, dann werden sie „ausgeklinkt“. Nicht zu hoch, sonst fallen sie vielleicht in die Weser. Gleichzeitig bewirkt ein Mechanismus, dass sich per Reißleine ein Fallschirm öffnet – wenigstens meistens. „Wenn er nicht aufgeht, kommen die Sanitäter mit einer Trage“, sagt Uwe lapidar und meint damit, dass die Springtierfreunde die Kinder auf Drachenfesten gerne an der Nase herumführen. Schließlich ist das Hobby der Teddystürzer sowas wie Kinderbelustigung. High-light der vier Bremer Clubmitglieder ist jedes Jahr das Drachenfest in Lemwerder, das im Sommer immerhin 30.000 Zuschauer anzieht. Besonders viel Kinderaugen-Glühen erzeugt dann das Marsupilami, das mit einem zweiten Steuerfallschirm am Schwanz herabsegelt. „Manchmal lassen wir auch Bonbons oder wassergefüllte Luftballons vom Himmel regnen“, erzählt Uwe, um die 30 und eigentlich Dachdecker. „Oder rohe Eier. Wer eins heile fängt, bekommt 50 Mark.“

Klaus Dieter erklärt: „Wir sind auf den Festen sowas wie der Clownersatz.“ Seit zehn Jahren ist der Netzwerktechniker dabei. Angefangen hat es damit, dass Klaus Dieter irgendwann seinen Zahnarzt beim Teddystürzen traf. Heute hat der Club in Bremen immerhin vier Mitglieder, in Restdeutschland gibt es noch drei ähnliche Unternehmungen. Selbstverständlich ist der irre Spaß aus Großbritannien auf uns niedergeschwappt. „Ja, bizarr ist es schon“, meint Klaus Dieter (Zweit-Hobby: Boomerang-Bauen), der sich einen echten Fallschirm-Sprung nicht traut.

„Erst springen zehn, zwanzig Tiere durch, dann ist bandschen dran“, erläutert Uwe. Und ja, auch das ist wahr: Es gibt tatsächlich ein Gummiseil zum Bungee-Jumpen. Lustig sei das, wenn die Kinder nach dem Teddy greifen wollten, der wieder in die Höhe schnellt, beteuern die Springtierfreunde.

Und: Es gibt Tandemsprünge. Für den Doppelhoppel hat Uwe aus strapseähnlichen Corsage-Riemchen eine Art Tragegurt gebastelt: „Da bringen die Kinder ihre eigenen Teddys mit, ich schnalle sie an meine ran und los geht's.“

„Mit 150 Mark bist du dabei“, schätzt Klaus Dieter. Soviel Geld und unendlich viel mehr Teddy- und Drachenliebe braucht ein Springtierstürzer für die Erstausrüstung. Tragedrachen, „Fähre“, Kevlar-Leine, Stoff, Schnüre, Karabiner, eine Schablone, aus der sich der Fallschirm schneidern lässt, sind nötig – und selbstverständlich ein Teddy. Uwe besitzt um die 50. Befestigt wird der ganze Spaß mit zwei Riesen-Heringen am Boden. „Bei Windstärke 3 oder 4 kann ich den Drachen nicht mehr halten“, meint Uwe. Und, ohne rot zu werden: „Bei 5 oder 6 zieht er unser Auto weg“. Kai Schöneberg