Wer waren die drei Spieler, die nach Hause geschickt wurden?

Die Frage aller Fragen: Wie selbst ein Fußball-Laie während der Frühstücks-Weltmeisterschaft mit wertlosem Wissen brillieren kann. Ein Wahrheit-Rezept gegen Klugscheißerei

Das Estragonhuhn liegt warm in Ihrem Bauch. Das Spiel kann beginnen. Eigentlich sind Sie nicht allzu sehr am Fußball interessiert, aber das Ereignis wollen Sie dennoch nicht verpassen. Zumal sich alle Ihre Freunde bei dieser ersten Frühstücks- und Lunch-Weltmeisterschaft treffen, und schließlich gibt es passend zu den verschiedenen Teams jedes Mal eine entsprechende Mahlzeit. Heute Mittag spielen die Franzosen, deshalb das leckere Coq au estragon.

Die erste Viertelstunde ist vorbei. Konzentriertes Abtasten. Erste Angriffsbemühungen. Die Verteidigung steht solide. Das Spiel hängt etwas durch. Jetzt schweift der Reporter ab und berichtet vom Pudel der Großmutter des Spielers Garrincha, der hier zwar nicht mitspiele, aber für den Fußball Entscheidendes geleistet habe. Offen bleibt, ob der Pudel oder die Großmutter. „Das erzähle ich Ihnen nur …“ – das erzählt der Reporter nur, um zu beweisen, dass er nicht nur ein Reporter, sondern ein Mann des Wissens, ein Hommes d’Esprit – kurz gesagt: ein grässlicher Schwafelkopf ist. Doch das war das Signal für Ihre Fernsehrunde. Die Stunde der Experten ist angebrochen. Mit den Worten „Weiß noch jemand …“ beginnt die Rätsel-WM. „Wer hat die meisten Tore …?“ – „Wer hat gesagt: Ein Spiel dauert 90 Minuten, und am Ende gewinnen immer …“ und so weiter und so fort. Langsam steigern sich die Experten, die Fragen werden schwieriger.

Normalerweise würden Sie sich nie an diesen Expertenrunden beteiligen – bis heute. Jetzt ist Ihre Stunde gekommen! Warten Sie auf ein Foul oder eine Auswechslung, die das Spiel zeitweise unterbricht. Jetzt! Mit Ihnen hat niemand gerechnet: „Darf ich auch etwas fragen?“, fragen Sie möglichst unschuldig ins Rund und ignorieren das spöttische Grinsen Ihrer Gegenspieler, die Sie leicht belustigt ermuntern. Jetzt stellen Sie Ihre Frage: „Es gab drei deutsche Nationalspieler, die bei einer Fußball-Weltmeisterschaft wegen ihres schlechten Verhaltens zwangsweise nach Hause geschickt wurden. Wer sind die drei?“ Zeigen Sie jetzt nicht zu auffällig, dass Sie die Verblüffung der Experten registrieren. Genießen Sie das Schweigen. Die Frage ist gut, heißt das.

Plötzlich bricht es aus dem Ersten hervor: „Klar. Effenberg. WM 1994. USA. Die ‚Stinkefingeraffäre‘. Stefan Effenberg zeigt den Zuschauern auf der Tribüne nach seiner Auswechslung den erigierten Mittelfinger und wird nach Hause geschickt. Er wird nie wieder für die Nationalmannschaft spielen.“ Beifälliges Murmeln. Und der Zweite? Kein Problem für den Experten: „Stein. WM 1986. Mexiko. Die ‚Suppenkasparaffäre‘. Ersatztorhüter Uli Stein nennt den Teamchef Franz Beckenbauer einen Suppenkaspar – und tschüss.“ Applaus für die Antwort und für Stein. Halbzeit.

Die Experten erheben sich und machen sich auf den Weg, die Blasen zu entleeren und den Kopf durchzulüften. Es kann nicht lange dauern, und dann findet sich der dritte Mann – glauben sie … Die Pause vergeht. Das Spiel wird wieder angepfiffen. Alles konzentriert sich auf die hin- und herwogenden Spielzüge. Aber es liegt ein kribbelndes Schweigen über der Estragonrunde. Der Dritte, nagt es in den Köpfen der Experten. Bis ein Schrei die Stille durchschneidet. Tor? Nein! „Der Dritte ist Basler. WM 1998. Frankreich. Er musste nach Hause.“ Nutzen Sie an dieser Stelle bitte einen kleinen Trick, und starren Sie auf Ihre Fingernägel. Sehen Sie auf keinen Fall Ihre Gegenspieler an, sondern bemühen Sie sich, eine angebliche Unebenheit der Nagelkuppe durch elegantes Reiben auszugleichen. Denken Sie, um die Spannung zu verstärken, an das Estragonhuhn, das in Ihrem Bauch wohlgefällige Wärme verbreitet. Nippen Sie ganz leicht an dem Glas Grand Duque d’Alba. Dann sagen Sie mit fester Stimme: „Nein! Mario Basler hat freiwillig darum gebeten, von seinen Pflichten als Nationalspieler entbunden zu werden, weil seine Frau Schwierigkeiten bei einer Entbindung hatte. Basler war es nicht!“ In diesem Moment können die Franzosen gern ein Tor schießen, jubeln werden Ihre Kontrahenten nicht. Stein, Effenberg, Basler. Logisch, stimmig, schlüssig – aber falsch!

Jetzt kommt es ganz auf Sie an. Bis hierhin haben Sie Ihre Sache gut gemacht und fein durchgehalten. Nun heißt es, ein Gespür dafür zu entwickeln, wie lang Sie die anderen martern können. Lassen Sie ihnen noch einen Moment Zeit, die Niederlage zu verdauen. Sie sollten sich für diesen Moment eine Orange in der Jacken- oder Handtasche mitgebracht haben. Und sie nun ganz, ganz langsam schälen, um schließlich die Siegfrage zu stellen: „Soll ich es sagen?“ Es wird einige wenige Sekunden dauern, bis der Erste gnädig und mit leicht krächzender Stimme Ihnen das Wort erteilt: „Los!“

An dieser Stelle dürfen Sie auf keinen Fall „Ganz einfach!“ sagen. Wer am Boden liegt, sollte nicht noch getreten werden: „Der Spieler hieß Siggi Haringer und wurde 1934 bei der WM in Italien von Reichstrainer Otto Nerz nach Hause geschickt, weil er vor der Zugfahrt beim Warten auf dem Bahnsteig Obst gegessen hatte. Das war für Nerz eine grobe Disziplinlosigkeit.“

Die anschließende Diskussion über das Ess- und Trinkverhalten von Profispielern und die Tatsache, dass heute ein Bundestrainer froh wäre, wenn einer seiner Spieler Obst äße, geht Sie nichts mehr an. Für Sie zählt nur eins: Das Steak zum Spiel der Argentinier ist Ihnen sicher.

MICHAEL RINGEL