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: Carsten Jancker wird geschmäht und trifft

Der Ein-Tor-Stürmer

Es bestand an diesem Vatertag kurzzeitig durchaus Anlass, sich Sorgen zu machen um Carsten Jancker aus München, dem in diesen Tagen republikweit als Null-Tore-Stürmer zu unrühmlichen Ruhm Gelangten. Viel gelaufen ist Jancker im Freiburger Dreisamstadion wieder, hat ein paarmal unglücklich agiert und ein paarmal wohl auch ungeschickt, jedenfalls sah es von den Rängen so aus. Dann, keine Stunde war gespielt, begannen die Fans, nach Martin Max, dem Torschützenkönig der Bundesliga, zu rufen, erst vereinzelt, dann alle im Chor, und jedes Mal muss es Jancker tausend Stiche in sein Fußballherz versetzt haben, weil dieser Max trotz seiner 18 Saisontreffer doch gar nicht im Aufgebot stand und von Völler auch nicht für die WM vorgesehen ist.

Der beinahe finale Stich gegen Jancker aber sollte erst noch kommen, kurz darauf und in dem Moment, in dem ein „Ohne Jancker fahr’n wir zur WM“ durchs Stadion wogte. Bitterböse klang das – und man musste den Bayern-Hünen wirklich nicht sonderlich mögen, um in diesem Moment mit ihm fühlen und erkennen zu können, was in ihm vorging: Jancker, ein Bär von einem Kerl, drohte unter den Schmähungen zu zerbrechen, jedenfalls gab Jancker Völler deutlich zu erkennen, dass er am Ende war mit sich und der Fußballwelt, vielleicht für einen Moment sogar am Ende seiner Nationalmannschaftskarriere – und nur noch eines wollte: flüchten. Runter vom Platz.

Doch diesmal, keine zehn Minuten nach der Auswechslung Deislers, hatte der Teamchef kein Einsehen und noch nicht einmal Erbarmen. Jancker musste da durch – und dass er in der 75. Minute tatsächlich noch ins Tor traf, zum 7:0 nämlich, muss auf ihn gewirkt haben wie eine Erlösung. Und auch seine Mannschaftskameraden müssen das gefühlt haben, jedenfalls kamen sie alle zu ihm und klatschten ihn ab, am herzlichsten Oliver Kahn, der dafür den weiten Weg von seinem Tor zur Mittellinie nicht scheute. Und schließlich schickten selbst die Fans Carsten-Jancker-Rufe auf die Reise, womöglich, weil ihnen in diesem Moment bewusst wurde, was sie zuvor beinahe angerichtet hatten; mit Stürmern wird dieser Psychoterror hierzulande ja besonders gerne gespielt.

Bestimmt hat Oliver Bierhoff, Janckers Sturmkollege vom Freiburger Himmelfahrtskommando, auch kurz daran gedacht, wie das bei ihm war vor gar nicht all zu langer Zeit. Vielleicht ist er auch deshalb so hoch aufgesprungen von der Bank und hat besonders heftig gejubelt, als der Kollege endlich traf. Zuvor, während seiner 72 Minuten auf dem Platz, hat Bierhoff selbst dreimal getroffen, damit seine Nationalmannschaftstore 34, 35 und 36 im 63. Länderspiel geschossen und sich in der ewigen DFB-Torjägerliste an Fritz Walter (33) und Ulf Kirsten (35) vorbeigeschoben auf Platz sieben. Für Carsten Jancker besteht also durchaus noch Hoffnung. KET