Auch Pantani ist wieder dabei

Heute beginnt mit dem Prolog in Groningen der Giro d’Italia, bei dem die meisten nach der Razzia vom Vorjahr ins Zwielicht geratenen Dopingverdächtigen starten dürfen

GRONINGEN taz ■ Nachrichten aus Italien verursachen bei den Radsportverantwortlichen in Deutschland nur noch Augenrollen. „Das ist jedes Mal das Gleiche“, seufzt Olaf Ludwig, Vizepräsident des Bunds Deutscher Radfahrer (BDR). „Erst wittern alle die Sensation und springen auf das Thema auf. Und wenn dann mal wieder alles im Sande verläuft, hört man nichts mehr davon. Aber der Schaden ist erst einmal angerichtet.“

Eine Haltung, die man als Verniedlichung werten mag. Tatsächlich aber hat die grandios inszenierte Razzia der italienischen Sondereinheit zur Dopingbekämpfung (NAS) in der Nacht vor der Königsetappe des letzten Giro zwar viel Wirbel verursacht, bislang jedoch wenig Fortschritt in der Dopingbekämpfung gebracht. Dario Frigo, der unmittelbar nach der Razzia Doping gestanden hatte, hat seine sechsmonatige Sperre bereits verbüßt und geht am Samstag in Groningen wieder als Favorit an den Start des dreiwöchigen, 3.359 Kilometer langen Rennens, das zunächst durch Deutschland, Belgien und Frankreich führt, bevor es am kommenden Freitag Italien erreicht. Zuletzt hat Frigo mit seinem Sieg bei der Tour de Romandie seine gute Form bewiesen, zu den ärgsten Konkurrenten des Italieners werden vor allem seine Landsleute Stefano Garzelli und Francesco Casagrande sowie Vorjahressieger Gilberto Simoni gezählt. Das Team Telekom spekuliert in erster Linie auf Etappensiege des Sprinters Danilo Hondo.

Bis zu vier Jahren Sperre hatte Giacomo Aiello, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees von Italien (Coni), für die Fahrer gefordert, gegen die seit der Razzia von der Staatsanwaltschaft in Florenz ermittelt wird. 90 Personen, Athleten und Betreuer, waren damals den Ermittlern aufgefallen, darunter auch Jan Ullrich, bei dem Asthmamittel gefunden wurden. Das Coni hatte jedoch nur die Aufgabe, die von der Staatsanwaltschaft übergebenen Unterlagen an die Radsportverbände weiterzureichen.

Die Akte Ullrich wurde vom BDR geschlossen, da die Mittel ärztlich verordnet und angemeldet gewesen seien, Italiens Verband sprach die meisten Fahrer frei, andere, gegen die noch ermittelt wird, dürfen beim Giro trotzdem starten.

Dies gilt auch für Marco Pantani, in dessen Hotelzimmer bei der Razzia eine Spritze mit Insulinspuren gefunden wurde und gegen den die Antidopingkommission eine Sperre von vier Jahren beantragt hat. Wegen eines Formfehlers wurde das Urteil um 15 Tage verschoben, so dass der 32-Jährige in Groningen zum Prolog antreten kann.

Ansonsten mahlen die Mühlen sowohl der zivilen als auch der Sportgerichtsbarkeit sehr langsam. Viele Anhörungen und Verhöre sowohl durch die Staatsanwaltschaften von Florenz und Padua als auch durch das Olympische Komitee, viele Spekulationen in der Presse, wenig Greifbares. Das Ergebnis des italienischen Antidopinggesetzes, des schärfsten in Europa, ist bislang nicht, wie erhofft, Transparenz, sondern eher Chaos. Die Dopingkontrollen werden seither vom Staat durchgeführt, die Ergebnisse den Verbänden mitgeteilt, die dann ein Strafmaß festsetzen sollen. Die Staatsanwaltschaft sammelt seit der Razzia von San Remo langwierig weiter Material, um irgendwann Anklage erheben zu können. Das Coni unter neuer Führung empört sich brav. Und der Radsportverband zeigt sich borstig in der Verhängung von Strafen.

Eine abschreckende Wirkung haben diese italienischen Verhältnisse dennoch. Die Angst vor neuerlichen Razzien reist bei allen Teams mit, die in diesem Jahr zum Giro nach Italien kommen. Die obligatorischen Blutkontrollen bei allen 198 Teilnehmern verliefen im Übrigen ohne Auffälligkeiten. SEBASTIAN MOLL