Der Dandy unter den Gaullisten

Jean-Jacques Aillagon, Frankreichs erster offen schwuler Minister, leitet das Kulturressort. Das will er schon lange

Jean-Jacques Aillagons Geschmack kennen fast alle Paristouristen. Auch wenn sie den Namen des neuen französischen Kulturministers noch nie gehört haben. Denn seit 1996 leitet und inspiriert der Mann eines der großen Museen der Stadt: das auf moderne Kunst spezialisierte Centre Pompidou. Schon zuvor organisierte und prägte er Kulturveranstaltungen, die Furore machten: vom 100. Geburtstag des französischen Nationalhelden General de Gaulle über den 50. Jahrestag der Befreiung vom NS-Regime bis hin zu dem großen Jahrtausendspektakel in der Silvesternacht zum Jahr 2000.

Aillagon pflegt den Kleidungsstil des Dandys und einen charmanten Umgangston. Und er ist überzeugter Gaullist. Das war schon so, als der heute 55-Jährige als Lehrer für Erdkunde und Geschichte in der zentralfranzösischen Provinz Corrèze anfing. Dabei blieb es, als er Mitte der 90er-Jahre im Rathaus von Paris zum Leiter der Kulturabteilung aufstieg. Damals war Jacques Chirac noch Bürgermeister der französischen Hauptstadt.

Nach Chiracs Umzug in den Élysée-Palast erhielt Aillagon den Ruf an die Spitze des Museums, das den Namen eines anderen, längst verstorbenen, gaullistischen Staatspräsidenten trägt: Pompidou. An der Spitze des einer Industrieanlage nachempfundenen Baus in der Pariser Stadtmitte ist Aillagon inzwischen drei Mal im Amt bestätigt worden. Eine Seltenheit. Er organisierte den Umbau und die Neuorganisation des Museums, dachte sich ein dem US-amerikanischen Guggenheim nachempfundenes neues Konzept aus: Er will Satelliten des Pompidou gründen. In der französischen Provinz, in Spanien und in Deutschland. Und er reagierte oft und öffentlich politisch: Als die Taliban im vergangenen Jahr in der afghanischen Provinz Bamiân die Buddhastatuen zerstörten, hängte Aillagon überlebensgroße Bilder der Buddhas an die Fassade seines Museums. Und als der rechtsextreme Jean-Marie Le Pen in die Stichwahl kam, war er einer der wenigen prominenten Rechten, der so reagierte wie die Studenten und Linken auf der Straße: Er organisierte ein Meeting „Kultur gegen Le Pen“.

Seit Jahren strebt Aillagon einen Posten als Kulturminister an. Jetzt hat er es immerhin in eine Übergangsregierung geschafft, deren wichtigster Zweck es ist, bei den kommenden Parlamentswahlen für eine breite rechte Mehrheit zu sorgen. Aillagon ist in der Equipe dafür zuständig, die Sympathie im Künstlermilieu zu verbreitern, ein Milieu, in dem es gegenwärtig schick ist, links zu sein.

Seine Berufung in das Ministeramt ist zugleich ein Signal an eine bislang im offiziellen Diskurs vernachlässigte Wählergruppe: die Homosexuellen. Aillagon ist das erste Mitglied einer französischen Regierung, das sich offen zu seiner Homosexualität bekennt. Auch das versteht er als Politikum. „Es ist politisches Handeln“, hat er neulich der Zeitung Le Monde erklärt“, „wenn ich meine sexuelle Freiheit auch in der Provinz und auch in einem extrem repressiven familiären Rahmen verteidigt habe.“

Der rechte Aillagon hat im vergangenen Jahr die kommunistische Zeitung Humanité gewählt, um auf eine Kampfschrift des Bosses des französischen multinationalen Konzerns „Vivendi Universal“ zu antworten. Die Kultur, so Aillagon, ist keine Ware. DOROTHEA HAHN