Wenn sich Hanoi mit Helsinki trifft

25 Bürgermeister aus der ganzen Welt diskutieren ab heute über die Rolle der Metropolen in der Globalisierung. „Glokalisierung“ meint Vernetzung auf der Ebene, die den Bürgern am nächsten ist. Ein Gegenentwurf zu den G-8-Treffen

aus Rom MICHAEL BRAUN

Mailand und Kigali. Stockholm und Daressalam. Washington und São Paulo. Helsinki und Hanoi. Bei dem heute in Rom beginnenden „Glokalen Forum“ werden Repräsentanten einiger der reichsten mit denen einiger der ärmsten Städte der Welt zusammentreffen. Drei Tage lang wollen Bürgermeister aus allen Kontinenten mit Vertretern der Weltbank, der UNO, mit NGOs, aber auch mit IT-Multis über die Rolle der Metropolen in der Globalisierung debattieren.

Schon die Zusammensetzung macht die Veranstaltung zum Gegenentwurf zu den G-8-Gipfeln, auf denen die reichen Länder unter sich bleiben. Und dieser Gegenentwurf nimmt Gestalt an im Schlagwort von der Glokalisierung. Heruntergeholt werden auf die Ebene der Kommunen – jene Ebene, auf der die Politik den Bürgern am nächsten sei, so die Veranstalter – soll der Prozess der Globalisierung; und zugleich soll er partnerschaftlich „eingehegt“ werden, um die Globalisierung zu einem Prozess zu machen, der auch den Bevölkerungen der armen Länder Erträge bringt.

Entsprechend ehrgeizig liest sich das Programm der Tagung, auf der es um eine „neue sozio-ökonomische Balance“ ebenso gehen soll wie um die Rolle der Städte im Prozess von peace-building (diese Sitzung wird von Israels Außenminister Schimon Peres eröffnet werden), um dezentrale Entwicklungszusammenarbeit und um die Überwindung des „digital divide“, des durch das Internet entstandenen Grabens zwischen den Reichen und den vom Weltnetz ausgeschlossenen Armen der Welt.

Weit schwerer wird sich das „Glocal Forum“ allerdings damit tun, die hoch gesteckten Ziele in konkrete Vorhaben zu gießen. So gibt es bisher nur zum „digital divide“ ein paar recht bescheidene Vorschläge, die von der (schon erfolgten) Einrichtung einer gemeinsamen Homepage (www.glocalforum.org) zu der von Roms Stadtdezernentin Mariella Gramaglia favorisierten Idee reichen, die wohlhabenden Städte sollten per „Fernadoption“ Internetprojekte aus der Dritten Welt betreuen. Daneben stehen die Förderung des „Inter-City-Tourismus“, die Schaffung eines „Globalen Jugendparlaments“ und die angestrebte Verstärkung der „Städtediplomatie“.

Ein diplomatischer Erfolg ist Roms Bürgermeister Walter Veltroni jedoch schon gewiss: Das Forum wird auch zum Ort der Begegnung von Israelis (neben Peres der Präsident des Glocal Forum, der ehemalige israelische Oslo-Chefunterhändler Uri Savir) und Palästinensern werden; neben dem Bürgermeister von Nablus ist der Rektor der Universität Ostjerusalem angekündigt.

Zugleich aber hat Veltroni – der wie kein anderer national bedeutender italienischer Politiker seit Jahren die Fragen von Armut in der Dritten Welt zum Thema gemacht hat – schon im Vorfeld eine politische Niederlage einstecken müssen: Ihn, der sich als Ansprechpartner der Globalisierungskritiker versteht, erwarten harte Proteste aus ebendieser Ecke. Die No-Globals stören sich daran, dass auch Weltbank-Chef James Wolfensohn auf der Tagung sein wird. Der sei einer der „weltweit größten Verbrecher“, mit dem ein Dialog schlicht „undenkbar“ sei, erklärten Vertreter des Bündnisses „Roma Social Forum“. Zugleich stößt ihnen die Präsenz von IT-Multis wie Nokia, IBM und Oracle auf.

Deshalb hat das Roma Social Forum zusammen mit Grünen und Kommunisten, pikanterweise in Veltronis Stadtregierung vertreten, für heute Vormittag zu einer Demonstration auf dem Kapitolsplatz aufgerufen – direkt vor dem als Tagungssitz dienenden Rathaus. Um an die Rolle des Internationalen Währungsfonds in der Argentinienkrise zu erinnern, wollen die Protestierer sich mit Kochtöpfen Gehör verschaffen. Zunächst war von einem Demonstrationsverbot auf dem Kapitol, gar von der Schaffung einer „roten Zone“ wie beim G-8-Gipfel in Genua die Rede. Doch Veltroni war klug genug, dieses für den Dialog mit den Globalisierungskritikern fatale Signal zu vermeiden. Er erklärte den Protest auch direkt vor seiner Haustür für legitim; stattdessen wird jetzt über eine Verlegung des Konferenzbeginns auf den Nachmittag spekuliert.