montagsmaler Wo die Igel lärmen
: Naturkunde zum Angrillen

Das erste Mal wird ganz beiläufig ins Gespräch gebracht. Wir könnten ja mal wieder. Vielleicht am Freitag oder Samstag. Ja mal sehen, wie es sich so ergibt. Dann werden, im Laufe der Woche, Vorbereitungen getroffen. Hier ein Anruf, da ein Einkauf, dort eine Terminverschiebung. Und dann, am Samstag, ist es soweit. Angrillen im Steglitzer Garten, der großen, grünen Oase, in der man sich so weit weg von der Großstadt fühlt.

Bier und Wein, Fleisch und Fisch, Gemüse und Salat werden ins Freie gebracht, die Gartenbänke von Vogelkacke befreit, der Tisch gewischt, der Grill entstaubt. Zuerst kommen die Hausbewohner in die Runde, dann treffen die vier oder fünf Gäste von außerhalb ein. Der Garten wird bewundert, guck mal, mein Rosmarin blüht, hast du so etwas schon mal gesehen? Und hier, die Pfingstrose hat pünktlich zum ersten Grillen ihre Blüten ausgebreitet wie große Seidentücher.

Einer, immer ein Mann, fängt an, Kohle auf den Grill zu legen, dann kommt der erste Streit des Abends auf. Das Feuer macht man doch nicht mit Spiritus!! Wie unsportlich! Es gibt schließlich genug Hölzchen und Stöckchen und Papier. Außerdem sei das gefährlich. Wegen der Stichflammen. Der Mann jedoch kontert mit seiner überaus langen Grillerfahrung und gießt noch einen Spritzer Sprit auf die brennenden Kohlen. Nun heißt es warten, bis nur noch heiße Glut im Grillbecken ist. Zeit für Geschichten. Die eine erzählt von ihren Wanderjahren als Schmiedin, in Kluft, mit nur 5 Mark in der Tasche, der Nächste berichtet, sein Bauchumfang sei durch eine so genannte Meyerkur auf 107 Zentimeter geschrumpft, eine Frau weiß, dass dies genau ihr Umfang war, wenige Tage bevor sie ihr Kind bekam. Damals vor vielen Jahren.

Man überlegt, ob Insekten und Fische eigentlich ein Herz besitzen und beschließt, das man viel zu wenig weiß von den Wundern der Natur. Darauf wird angestoßen und das erste Fleisch auf den Rost gelegt. Die Sonne ist untergegangen, die Nachtigall singt, man hört andächtig zu. Ob es dieses Jahr viele Kirschen geben wird? Weiß man noch nicht, aber Mücken, die gibt es bereits jetzt. Hungrige Biester, die man um diese Jahreszeit gar nicht erwartet hat.

Es wird aufgetragen, Fisch, Fleisch und Gemüsespieße werden verzehrt, dazu nimmt man den scharfen, japanischen Meerrettichsenf. Was da alles drin ist! Nicht nur Meerrettich, sondern geheimnissvolle Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker. Ja, ja, die Japaner. Die eine Besucherin ist viel zu blass, erschreckend dünn und still, was ist los? Sie war doch gerade erst in Italien im Urlaub. Der indische Freund berichtet, er erhält nächsten Monat endlich seine deutsche Staatsbürgerschaft. Hat alle Hürden genommen, zwei Jahre für viel zu wenig Geld gearbeitet, davon einen ordentlichen Batzen für seine Einbürgerung gezahlt und sich nichts zuschulden kommen lassen. Endlich nach England reisen können, ohne Visum. Darauf freut er sich. Die anderen raten ihm, sich am Tag nach der Einbürgerung erst mal arbeitslos zu melden. Man habe schließlich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten in diesem Land.

Langsam sind alle betrunken und fahren nach Hause, zurück in die große Stadt. Die Luft ist samtig, zwei sitzen noch auf der Bank sitzen, füllen ihre Gläser, gucken in die Sterne und rauchen einen kleinen Joint. Doch gerade bevor es zu romantisch wird, raschelt und schmatzt es laut aus den Tiefen der grünen Umgebung. Horch mal, hast du das gehört? Man schweigt, lauscht angestrengt, und ja, da ist eindeutig etwas. Und dann sieht man zwei Igel lärmend über die Wiese laufen, Nase an Hintern, auf der Suche nach einem leckeren Schneckenmahl. Jetzt gehört der Garten ihnen, und wir gehen schlafen. SARAH SCHMIDT