berliner szenen Tag der Könige und Chöre

für Michael Jackson

Um halb elf soll sie stattfinden, die Demonstration für Michael Jackson. Der Aufruf beschuldigt Jacksons Plattenfirma. Sony wolle „Invincible“, das aktuelle Album des King Of Pop, sabotieren. Folglich hat man sich zum Protest direkt am Potsdamer Platz verabredet, am Sony Center.

Unter der Zirkuskuppel ist am Samstag um halb elf keine Zusammenrottung zu sehen. Fußballtouristen aus Leverkusen und Gelsenkirchen treiben in Scharen durchs „Neue Berlin“. Man hat Zeit, bevor am Abend der König des DFB-Pokals ernannt wird. Schalke-Fans werden heute Abend singen.

Von irgendwoher dringen Schichten aus Sopran ans Ohr. Da entlang, hier her, ah ja, die Stimmen werden lauter. Lange sind nur die Vokale zu hören, „O-I-A, O-I-A“. Erst mit Blick auf die Münder, die zwischen U-Bahnhof und der Baustelle „Beisheim Center“ einen Halbkreis formen, werden Worte entschlüsselbar. „So-Ny-Sucks/So-Ny-Sucks.“ In einem leidenschaftlichen Mix machen von nun an Parolen die Runde. Der ganze Fanchor aus vorwiegend jungen Mädchen schreit „King Of Pop, King Of Pop“, bis sich ein kleines Grüppchen etwas Neues einfallen lässt, „Fuck You Sony“ etwa. Alle haben Transparente gemalt, tragen T-Shirts oder haben sich dem King Of Pop zu Ehren sonstwie angezogen.

Nach einer guten Gottesdienstlänge lässt man eine Adresse Jacksons übers Soundsystem laufen, eine Aufmunterung. Was Leidenschaft war, wird Ergriffenheit sein. Das „Invincible“-Album wird gespielt und alle singen laut mit, alle tanzen, blicken ins imaginäre Königreich oder eine Freundin an. Man schenkt sich gegenseitig Verzückung. Wahrscheinlich stehen sie immer noch da.

CHRISTOPH BRAUN