„Wir wollen schnell Druck erzeugen“

Der IG-Metall-Bezirksleiter Hasso Düvel hält die Betriebe der Region Berlin-Brandenburg für in der Lage, die Lohnforderungen der Gewerkschaften zu erfüllen. Angeschlagene Betriebe sollen aber nicht bestreikt werden

taz: Herr Düvel, nach Jahren des wirtschaftlichen Niedergangs scheint sich die Industrie in der Region langsam zu konsolidieren. Haben Sie keine Angst, dies durch den Steik zu gefährden?

Hasso Düvel: Die Frage ist falsch gestellt. Wir richten uns mit unseren Tarifforderungen an der Frage aus, wie wir zu mehr Wirtschaftswachstum kommen. Wir haben in der Metall- und Elektoindustrie einen Exportrückgang von 11 Prozent; diesen muss man durch eine höhere Nachfrage im Inland ausgleichen. Das ist die Logik. Wenn die andere Logik stimmen würde, dass dort die Investitionen brummen, wo es niedrige Löhne gibt, müsste ganz Ostdeutschland prosperieren ohne Ende. Das ist aber nicht so. Mit unserer Forderung orientieren wir uns so: 4 bis 4,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt sind ohnehin für die Unternehmen kostenneutral, weil sie der Inflation und der Produktivitätssteigerung entsprechen. Was wir mit unserer Forderung nach 6,5 Prozent mehr draufsatteln, soll einen Beitrag zur Steigerung der Kaufkraft leisten. Das bringt die Wirtschaft in Gang und würde zu höheren Steuereinnahmen des Staates führen.

Können sich das die Unternehmen in Berlin und Brandenburg leisten?

Natürlich können die sich das leisten. Der Anteil der Lohnkosten an den Gesamtkosten liegt in der Metallindustrie bei 19,1 Prozent, in Ostdeutschland sind das nur 18,2 Prozent. In diesem Zusammenhang muss man unsere Lohnforderungen sehen, im Kern streiten wir um Kostensteigerungen, die sich für Unternehmen im 0,5-Prozent-Bereich bewegen.

Die Unternehmer haben angekündigt, bis zum Jahresende 2.500 Jobs zu streichen.

Wo die Zahl herkommt, weiß ich nicht. Die Tatsache, dass hier Arbeitsplätze verloren gehen, hat andere Ursachen. Borsig zum Beispiel erhält hohe Subventionen in Spanien und verlegt deshalb die gesamte Produktion von Berlin dorthin. Das hat mit den Löhnen hier überhaupt nichts zu tun. Solche Zahlen in die Tarifrunde hineinzulügen, ist unredlich. Nochmal: Im Kern geht es um die Frage der richtigen Wirtschaftspolitik. Seit zehn Jahren wird uns erzählt, dass niedrige Löhne zu mehr Investitionen führen. Das ist aber nicht eingetreten. Wenn wir über den Tellerrand schauen, sehen wir, dass zum Beispiel in England im Moment die Wirtschaft brummt – bei einem realen Lohnzuwachs. Das führt dort zu einem Beschäftigungsaufbau. Wir brauchen Wachstum, und Wachstum kommt nur in Gang, wenn wir mehr verkaufbare Produkte herstellen. Dazu muss mehr Geld für die Bevölkerung her.

Welche Rolle spielt die Region überhaupt bei der Tarifauseinandersetzung? In Baden-Württemberg, dem zweiten Streikbezirk, sind achtmal mehr Menschen in der Branche beschäftigt.

Die Lohnzahl wird sicherlich in Baden-Württemberg gefunden. Wir sind das Gebiet, das vor allem darauf drängt, dass Ostdeutschland nicht auf Dauer von der Entwicklung im Westen abgehängt wird. Die Menschen im Osten wollen nach zwölf Jahren Einheit endlich wissen, wann die Zweitklassigkeit überwunden ist. Bei der Urabstimmung lag die Zustimmung zum Streik im Osten über der in Westberlin. Im Übrigen werden wir nicht in jedem Betrieb streiken. Wir kennen Betriebe, die im Moment nicht so gut aufgestellt sind. Die sind natürlich keine Streikbetriebe. Die IG Metall streikt keine angeschlagenen Betriebe kaputt.

Wie lange wird der Streik dauern?

Wir wollen möglichst schnell einen hohen ökonomischen Druck in den Betrieben erzeugen, damit die Arbeitgeber schnell zu der Einsicht kommen, mit uns am Verhandlungstisch eine Lösung zu finden. An einem langen Streik sind wir nicht interessiert. Aber wenn er uns aufgezwungen wird, können wir ihn annehmen.

INTERVIEW: RICHARD ROTHER