Präsident sauer

Jacques Chirac verzögert das Pokalfinale zwischen Lorient und Bastia (1:0), weil die Korsen auf die Hymne pfeifen

PARIS taz ■ Vertraute berichteten hernach, sie hätten den Präsidenten noch nie so verärgert erlebt wie Samstagabend im Stade de France. Jacques Chirac wollte ganz entspannt dem Pokalfinale beiwohnen, alljährlich das Fest des französischen Fußballs. Doch als die Garde der Republik die Nationalhymne schmetterte, kam es zum Eklat. Die Marseillaise ging in einem Pfeifkonzert von Anhängern des korsischen Klubs Sporting Bastia unter.

Es ist schon das zweite Mal in sechs Monaten, dass in Paris auf die Marseillaise gepfiffen wird, im Oktober bei der ersten Partie einer französischen Nationalmannschaft gegen die Elf der früheren Kolonie Algerien stürmten einige Fanatiker sogar das Feld. So weit kam es diesmal nicht, aber auch so langte es Chirac. Er traute seinen Ohren kaum und suchte mit ungläubigem Blick Bestätigung bei Übergangspremier Jean-Pierre Raffarin. Man konnte dem Präsidenten die Worte von den Lippen ablesen: „Die pfeifen? Ich gehe!“ Gesagt, getan: Chirac suchte das Weite, die aufgereihten Fußballer unten trippelten genauso ratlos auf der Stelle wie oben der Präsident des französischen Fußballverbands, Claude Simonet. Der griff mit versteinerter Miene zum Stadionmikrofon, wurde aber ebenfalls niedergepfiffen.

Chirac schmollte derweil im Vorraum, um dann im Bild des übertragenden Senders TF 1 zu erscheinen und eine feierliche Erklärung abzugeben: „Ich werde nicht tolerieren, dass die Werte der Republik mit Füßen getreten werden.“

Zehn weitere Minuten später kam er zurück auf die Tribüne, nachdem sich Simonet über den Stadionlautsprecher für die Vorfälle entschuldigt hatte, weigerte sich aber, den Akteuren auf dem Rasen per Handschlag Glück zu wünschen. Anstoß war schließlich um 21.08 Uhr statt um 20.45 Uhr. Das Spiel vor 60.000 Zuschauern war im Vergleich zum Vorspiel langweilig. Die Bretonen von Lorient gewannen 1:0 und nehmen – obwohl aus der ersten Liga abgestiegen – teil am Uefa-Cup. RALF ITZEL