Reine Konsumenten

betr.: „Falsche Versprechen“ (Rechtspopulismus ist nicht durch Vollbeschäftigung zu verhindern), Kommentar von Ulrike Herrmann, taz vom 8. 5. 02

„Hier verlangen CDU, FDP und selbst Grüne einen Niedriglohnsektor, denn Vollbeschäftigung gilt als oberstes Ziel, die Idee der sozialen Gleichheit hingegen als lästiges Hindernis auf dem Weg ins Arbeitsparadies. Mit dieser Politik wird letztlich das Gefälle zwischen Arm und Reich vergrößert, die Angst vor dem sozialen Abstieg bis weit ins Bürgertum geschürt – und der Weg für einen Rechtspopulisten wie Fortuyn asphaltiert.“

Auch volkswirtschaftlich betrachtet macht der Dumpfsinn einer totalitären Arbeitsgesellschaft keinen Sinn. Arbeitslose, Rentner, Kranke heute als „unnütze Esser“ diffamiert, sind volkswirtschaftlich betrachtet reine Konsumenten. Diese sind für den volkswirtschaftlichen Ausgleichsprozess zwischen Konsumption und Produktion unabdingbar notwendig. „So ist der Fortschritt des volkswirtschaftlichen Prozesses nur möglich, wenn wir in ihm reine Konsumenten haben“ (R. Steiner: „Nationalökonomischer Kurs/Nationalökonomisches Seminar“. Taschenbuchausgabe 1996, S. 89).

„Wege ins Paradies“ vermeinte André Gorz, angesichts des gesellschaftlich kontinuierlich geringeren, zu verteilenden Arbeitsvolumens, denn auch in den Achtzigerjahren, zu finden – und meinte damit eine kontinuierliche produktivitätsabhängige Arbeitszeitverkürzung. Nun haben wir – angesichts des Versagens der regierenden Vollbeschäftigungsfetischisten – das Gegenteil: eine entzauberte, weichgespülte Linke und eine wiedererstarkte Rechte. MICHAEL HEINEN-ANDERS, Troisdorf