Fördern, fordern und die Praxis
: Hundert Einzelfälle

■ Arbeitsmarktpolitik in Umsetzung: Assessment soll Erkenntnis bringen

Wat kannste, wat willste, wat haste – zur Beantwortung solch elementarer Fragen können Arbeits- und Sozialamt seit gestern mit einem Assessment-Center aufwarten.

Wer arbeitslos ist, aber arbeiten könnte, wer nicht weiß wie weiter und wem sein Sachbearbeiter auch nicht helfen kann, der kann künftig zur Firma ZIP Zeitarbeit und Personalentwicklung gehen und binnen rund drei Wochen mehr über sich, seine „Arbeits- und Leistungsfähigkeit“ (ZIP-Geschäftsführer Volker Homburg) lernen. Er kann nicht nur, er muss sogar: „Wir haben schon den Anspruch, dass dieses eine gewisse Verbindlichkeit bekommt“, sagt Eckhard Lange vom Amt für soziale Dienste, bei Verweigerung seien „Pressionen“ möglich.

Assessment heißt Einschätzung. Ein Assessment-Center ist ursprünglich ein Instrument der Personalauswahl: Führungskräfte und solche, die es werden wollen, werden in einem meist mehrtägigen Seminar auf ihre Fähigkeiten geprüft, die Besten abgeschöpft, sprich: eingestellt.

Das Bremer Assessment-Center funktioniert anders: 600 arbeitslose Menschen sollen in diesem Jahr hier getestet werden. 400 schickt das Sozialamt, 200 das Arbeitsamt. Das Ganze wird finanziert aus einem 15 Millionen Euro schweren Bundestopf namens „MoZArt“, Modellvorhaben zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe. Das Land Bremen bekommt eine halbe Million Euro davon. Auch in Bremerhaven gibt es ein Assessment-Center: Es hat 200 Plätze, Ausrichter dort ist das Arbeitsförderungswerk. Während einer einjährigen Testphase werden alle MoZArt-Projekte wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.

Paradebeispiele waren gestern die russlanddeutsche Buchhalterin, deren Können hier niemand einschätzen kann, oder der rückenkranke Schlosser, der arbeiten kann, aber eben nicht mehr als Schlosser. Mit Menschen wie ihnen klären die ZIP-Leute in einem Eingangsgespräch, was in Frage kommen könnte, und machen Lese-, Schreib- und Rechentests. Dann folgt der Einsatz in der Praxis: Seine Firma verfüge über viele Verbindungen zu Betrieben, zu Weiterbildungseinrichtungen und zu Beschäftigungsträgern, so Volker Hombach, für jeden Fall werde was gefunden. Es folgen Tests auf Teamfähigkeit und ein Abschlussgespräch, bei dem die ZIP-Mitarbeiter dem Arbeitssuchenden ihre „Eingliederungsempfehlung“ erläutern. Sie wird Teil der „Eingliederungsvereinbarung“, die die Ämter mit dem Einzelnen schließen, Ziel: Rücckehr in den ersten Arbeitsmarkt.

Die ersten 100 haben das Assessment-Center bereits durchlaufen, erstes Fazit: „Hundert Einzelfälle“, sagt Rainer Moitz von ZIP. Die Mehrheit habe eine Empfehlung Richtung erster Arbeitsmarkt bekommen, „das hat uns überrascht“, sagt Sozialamtsmann Lange.

Der erste Arbeitsmarkt sei zwar liebstes, aber nicht unabdingbares Ziel. „Es gilt auch als Erfolg, wenn geklärt ist, dass eine Person nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelbar ist“, sagt Homburg, „wenn bei so jemandem mal Klarheit und Ruhe einkehren kann.“

sgi