Aufsteiger mit Problemen

Der Likud-Politiker Benjamin Netanjahu möchte seinen Rivalen, Israels Regierungschef Scharon, beerben

Jitzhak Schamir, so erinnerte der israelische Premierminister Ariel Scharon an seinen Vorgänger, sei nicht alleine zur internationalen Nahostkonferenz 1991 in Madrid gereist. Ihm zur Seite stand damals der zweite Mann im Außenministerium: Benjamin Netanjahu. Wenn sich Netanjahu, der im Volksmund gern „Bibi“ gerufen wird, heute ungern an seinen damaligen Auftritt erinnert, weil es ihm seine Kritik an dem für kommenden Monat in Europa geplanten Nahostgipfel erschwert, so war Madrid doch eine entscheidende Stufe in seiner Karriere.

Der junge Israeli eroberte mit seinem fließenden Englisch und seiner brillanten PR-Kampagne viele internationale Medien im Flug. Auch zu Hause waren nicht nur seine Parteigenossen begeistert über den Likud-Politiker, der sich bislang als UNO-Botschafter wenig Schlagzeilen verschafft hatte. Fünf Jahre später zog Bibi als Spitzenkandidat seiner Partei in den Wahlkampf und schlug mit dem Slogan „Frieden und Sicherheit“ den damaligen Premierminister Schimon Peres, der damit auch den Preis für eine Welle von Attentaten zahlen musste.

Den Palästinensern, so schien es, standen damals schwere Zeiten ins Haus. Netanjahu hatte Palästinenserführer Jassir Arafat schon im Vorfeld seines Wahlsieges als „Lügner“ und „Mörder“ abgetan. Er würde nun sicher keine Kompromisse machen. Doch dann kam es anders als erwartet. Auf die unglückliche Öffnung eines Tunnels neben der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem reagierten die Palästinenser mit Demonstrationen, die sehr schnell in Gewalt eskalierten und fast hundert Menschen das Leben kosteten. Infolge dieser Entwicklungen sowie des Drucks der USA war der neue Premier zu politischen Zugeständnissen gezwungen. Er implementierte die noch von der Arbeitspartei ausgehandelten Verträge für einen Abzug aus Hebron, wo fortan nur noch ein Viertel der Stadt besetzt bleiben sollte. Kurze Zeit später führte er erneut direkte Verhandlungen mit dem Mann, von dem er noch immer glaubte, er sei ein „Mörder“, was ihn nicht davon abhielt, ihm die Hand zu schütteln. Eine Geste, die Scharon bis heute ablehnt.

In dem US-amerikanischen Verhandlungsort Wye Plantation einigten sich Israelis und Palästinenser auf die Umsetzung der nächsten Stufe der Osloer Verträge. Nicht weniger als 14 Prozent des Westjordanlandes sollten an die Autonomiebehörde übergeben werden. Selbst Friedensnobelpreisträger Jitzhak Rabin hatte in seiner Regierungszeit nicht auf eine so große Landfläche verzichten wollen. Der Vertrag war insofern von historischer Bedeutung, als er vom national-konservativen Lager unterzeichnet wurde. Die alten Fronten von „links gleich Frieden“ und „rechts gleich gegen Kompromisse“ schienen aufgebrochen.

Netanjahu wurde per Parlamentsabstimmung im Dezember 1998 gezwungen, sein Amt vorzeitig zu verlassen. Grund dafür war nicht allein der Friedensprozess, der den ursprünglichen Erwartungen entsprechend nach Wye Plantation letztendlich doch auf Eis gelegt wurde, sondern auch innenpolitische Skandale. Nur mit Mühe entging Netanjahu einem juristischen Verfahren, nachdem eine Journalistin einen Korruptionsfall im Regierungsgebäude enthüllt hatte. Jetzt hofft er auf eine zweite Chance als Nachfolger seines Parteikollegen Scharon als Regierungschef. SUSANNE KNAUL