Zeichen der Entspannung

Ex-US-Präsident Jimmy Carter besucht Kuba – Fidel Castro begrüßt ihn als Freund

WASHINGTON taz ■ Als ranghöchster US-Politiker seit der kubanischen Revolution ist Expräsident Jimmy Carter am Sonntag nach Kuba gereist. Dort wurde er von Staatschef Fidel Castro in Anzug und Krawatte in „aufrichtiger Freundschaft“ begrüßt. Carter bezeichnete sich als „Freund des kubanischen Volkes.“

In einer kurzen Rede auf dem Flughafen erklärte Castro, die Beziehungen zwischen Kuba und den USA seien im vergangenen Jahrhundert von Misstrauen und Vorurteilen geprägt – Carter hingegen hätte während seiner Präsidentschaft den Mut gehabt, dies ändern zu wollen. Carter stehe es während seines fünftägigen Aufenthalts frei, zu sprechen mit wem er es wünsche.

Carter, der angekündigt hatte, sich auch mit Menschenrechtlern treffen zu wollen, betonte, dass es sich um einen privaten Besuch handle und er keine Verhandlungen mit der kubanischen Regierung führen werde. Dennoch wird jeder Schritt von Gegnern und Befürwortern der US-Kuba-Politik genaustens unter die Lupe genommen, vor allem die als Höhepunkt deklarierte Live-Ansprache am Dienstag im kubanischen Fernsehen. US-Menschenrechtsgruppen fürchten, dass Carter sich von Castro in einer PR-Show vor den Karren spannen lässt. Bislang findet Carter eher schmeichelnde Worte für Castro: „Ich bin neugierig, Ihre Leistungen im Gesundheitswesen, bei Bildung und Kultur zu sehen.“

Die Beziehungen zwischen den USA und Kuba sind gerade wieder stark belastet. Kaum hatte die kubanische Regierung als Zeichen der Entspannung vor dem Carter-Besuch in der vergangenen Woche den prominenten Dissidenten Vladimiro Roca vorzeitig aus der Haft entlassen, reihte der Staatssekretär im US-Außenministerium, John Bolton, Kuba in die „Achse des Bösen“ ein und behauptete, Kuba versuche sich an der Entwicklung biologischer Kampfstoffe. Fidel Castro wies die Anschuldigungen vehement zurück.

George W. Bush gilt mittlerweile als stärkster Anti-Castro-Präsident. Doch im Gegensatz zum Weißen Haus stehen die Zeichen im Kongress auf Entspannung. Immer mehr Abgeordnete und Senatoren plädieren für eine Lockerung der Sanktionen beim Handel mit Nahrungsmitteln und Medikamenten sowie bei Reisen.

Wirkliche Aufregung ruft die Carter-Reise lediglich bei den Exilkubanern hervor. Eingefleischte Castro-Gegner werfen Carter Anbiederung vor, da sie der Meinung sind, dass es unter Castro ohnehin keine Reformen geben wird. Moderate Gruppen, wie das Cuban Committee for Democracy, begrüßen die Visite und hoffen, dass sie zu einer Normalisierung der Beziehungen führt.

Castro jedenfalls ließ sich die Chance der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht entgegen und empfing Carter mit weiteren geschickten Gesten des guten Willens: Eine illegale, aber tolerierte Bürgerrechtsgruppe durfte eine Petition bei der Nationalversammlung einreichen, in der sie ein Referendum zur Pressefreiheit und freie Wahlen fordert. Und Castro bot Carter sogar an, in Begleitung von Experten seiner Wahl alle biotechnologischen Forschungszentren besichtigen zu können, um sich selbst zu überzeugen, dass Kuba keine Biowaffen produziert.

MICHAEL STRECK