Güterzug nur noch halb so laut

Statt teure Schutzmauern zu bauen, will die Bahn Lärm über neue Bremsköpfe reduzieren. Das geht schneller und ist billiger. Bund soll Lärmschutzprogramm ändern

BERLIN taz ■ Karl-Friedrich Rauch, Vorstand der Bahn-Tochter DB Technik, hatte gerade die Begrüßung zu Ende gebracht, als seine Rede zum ersten Mal unterbrochen wurde: Ratatata, rasselte ein Güterzug am Gleis eins in Berlin-Schönefeld vorbei. Rauch drehte das Mikrofon lauter und schrie: „Der Lärmschutz ist wichtig, um die gesellschaftliche Akzeptanz der Bahn zu erhöhen.“ Die anwesenden Journalisten grinsten. Sie waren gekommen, um sich einen geräuscharmen Güterwagen vorführen zu lassen.

Vier von hundert Deutschen leiden unter dem Lärm, den der Transport auf der Schiene verursacht. Nicht nur, weil Güterzüge überwiegend nachts fahren. Obendrein sind sie lauter als Personenzüge. Das „liegt an den metallischen Bremsköpfen“, erklärt Roland Heinisch, Vorstandsmitglied der DB Netz. Lärm entstehe bei Zügen durch „Verriffelungen an den Stahlrädern, die auf den Stahlschienen rollen“. Er ist umso lauter, je tiefer solche Unebenheiten an Rad oder Schiene sind. Güterzüge sind bisher mit Klotzbremsen aus Metall ausgerüstet, die direkt am Rad greifen – und seine Oberfläche aufrauen. In Personenzüge werden Scheibenbremsen eingebaut, die die Räder nicht berühren. Sie sind leiser, aber auch viel teurer.

Für ihre Güterzüge hat die Bahn eine billigere Idee: Kunststoffklötze sollen das Rad künftig zum Stehen bringen. Damit, so Rauch, könne der Zuglärm „halbiert werden“. Problem: Pro Wagen kostet die Umrüstung bis zu 5.000 Euro. Für alle deutschen Güterzüge wären das etwa 600 Millionen Euro, allein für die Wagen der Bahn-Tochter DB Cargo 370 Millionen Euro. „Das können wir nicht finanzieren“, so Karl-Heinz Jesberg, Vorstandsmitglied der für den Gütertransport zuständigen DB Cargo.

Die Bahn hofft daher auf den Staat. Die Bundesregierung stellt seit 1999 rund 50 Millionen Euro jährlich für den Lärmschutz zur Verfügung. Davon werden Schallschutzwände und Isoglasfenster gebaut. Leisere Bremsen sind nicht vorgesehen – „dabei sind die, auf den Kilometer umgerechnet, zehnmal billiger als Mauern und Fenster“, rechnet Jesberg vor. Insgesamt würden sich die Kosten für die Lärmsanierung des Schienennetzes um 800 Millionen Euro verringern, um rund ein Drittel. Jesberg verweist auf die Schweiz: Dort wurde per Volksentscheid beschlossen, alle Wagen umzurüsten – auf Kosten des Staates.

Der Bahn-Vorschlag scheine im Verkehrsministerium auf Gegenliebe zu stoßen, meinte Michael Jäcker, Lärmschutzsexperte beim Umweltbundesamt, dessen Behörde die Idee ebenfalls gut findet. Das Ministerium selbst gab gestern allerdings keine Stellung dazu ab. Skepsis herrsche jedoch im Finanzministerium. Dort fürchtet man offenbar, die Umrüstung der Güterzüge gelte in Brüssel als unzulässige Subvention.

KATHARINA KOUFEN