Parallel zum Herrgott

■ Aktionskunst-Märchenpark in der GAK: David Bade (Holland) und Honoré d'O (Belgien) arbeiten ihre Materialliste ab

E-Mail ist etwas feines. Da hat man's dann schwarz auf weiß, kann sich entspannt in den Zug setzen und studieren, was anliegt. Styropor liegt an. Und Bauschaum, ein paar Holzplatten, ein paar Eimer Farbe und Plastikflaschen, dazu Federball und Haushaltsbürste. Klingt nach Hausbau. Aber der belgische Künstler Honoré d'O ist von Gent nach Bremen gekommen, um Kunst zu machen, und zwar eine Woche lang. Danach: Vernissage. Schnell gesehen, schnell geschossen.

Die E-Mail mit der Materialliste bekam er von seinem Künstlerfreund David Bade, der in Amsterdam lebt, aber derzeit in Bremen arbeitet, als Dozent an der Hochschule für Künste. Bade, so war die Absprache, Bade besorgt das Material, lädt es in den Räumen der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) ab und besorgt eine Wohnung. Dann treffen sich beide in der GAK und machen in 10-Minuten-Intervallen immer abwechselnd aus dem Material Kunst. Abends gehen sie dann heim und filmen ihren Feierabend. Exakt eine Woche lang, die klassische Zeitspanne für Schöpfungen.

Die Parallele zum Herrgott ist allerdings nicht bewusst gewählt und auch das 10-Minuten-Intervall haben die beiden schnell wieder aufgegeben. Dafür haben sie ein kunterbuntes Allerlei in der GAK installiert, ganz in der „Balance des Zusammenseins“, so Bade, eine „kontinuierliche Aktion und Reaktion.“

Honoré d'O, der diesen Künstlernamen dem Softporno „Die Geschichte der O.“ entlehnt hat, übernimmt das Filigrane: Fäden spannen sich von der Decke, an denen entweder bedeutungsoffene Holz-Styropor-Mobiles baumeln, oder Vögel aus Plastikflaschen und Putzschwämmen. Zentral bei ihm ist eine Installation aus Tisch, Stühlen, Fäden, einer Glasvitrine und einer Videoprojektion. „Ich wollte zeigen, wie das Hirn funktioniert: Als magische Box mit lauter Verbindungen“.

David Bade stellt dahinter wuchtige Skulpturen in den Raum und schafft so eine Art Comic-Park mit Nähe zum Außerirdischen. Ein „Prozac-Anti-Depressions-U-Boot“ gibt es da und in der Mitte eine Mischung aus Altar und Thron zum Draufklettern, mystisch beschriftet mit „Sabbattical Moment“. Zwischen unbekümmert buntem Tand wie angemaltem Werkzeug oder Styropor-Helikoptern steht dann noch: „Forgetting is harder than rembering“.

An der Wand hängen Bilder aus früheren Bade-Ausstellungen, bunt und lustig und voll schwieriger Vergangenheit: Bade hat sich selbst als Kind gemalt auf einem Bauernhof und sieht darauf aus wie ein Bruder der MTV-Knallköpfe Beavis & Butthead – perfide und debil. Ein anderes Bild zeigt eine Ernte, und zwar die Ernte des Familienbaums („Familiy Tree Harvest“). Das Menschen-Knäuel auf dem Heuwagen wirkt wie ein abstrahiertes Abbild der Dorfbewohnerschlägerei bei Asterix.

Es gibt Absurdes wie das Skateboard mit nur einer Rolle und Skurriles wie die Klobrille, aus der eine Zunge aus Süßigkeiten hängt. Bereit steht zudem eine Maschine, mit der sich die geruchs- und farbneutrale „Ultramaterie“ (Bade) Styropor schneiden lässt – zu benutzen auch von Besuchern, die spontan Werke beisteuern wollen.

Es ist ein offenes System, das die beiden geschaffen haben, eine Welt, deren Entstehung immer mitformuliert wird durch die kleinen Häuflein von Materialresten, die zwar zusammengekehrt, aber als Teil des Kunstwerks am Ort belassen wurden. Und das Video aus der Wohnung läuft endlos im Fernseher am Boden: Keine Sensationen, keine Zeigefinger. Sinn- und Bedeutungsproduktion sind dem Besucher freigestellt.

Und die Künstler? „Spaß haben“ wollten sie, so Bade. Dass sie den hatten, glaubt man ihnen gerne. Aber Künstler sind sie wohl deswegen geworden, weil in ihrem früheren Leben irgendwann mal Schluss mit lustig war. Klaus Irler

Noch bis zum 23. Juni, Di-So 11-18 Uhr in der GAK, Teerhof 21