Ein Kampf, der Mut macht

Die russische Journalistin Olga Kitowa hat es gewagt, über die Machenschaften der Mächtigen zu berichten. Das System hat mit ihr gnadenlos abgerechnet („Russische Treibjagd“, 23.30 Uhr, ARD)

von BARBARA OERTEL

Wehe dem, der in Russland gegen die Mächtigen aufbegehrt. Olga Kitowa, Journalistin und seinerzeit Parlamentsabgeordnete von Belgorod an der Grenze zur Ukraine, hat das gewagt – mit allen Konsequenzen. Wie die aussehen, schildert Udo Lielischkies’ Doku „Russische Treibjagd. Das Ende einer Reporterin“.

Akribisch berichtet Olga Kitowa in ihrer Zeitung Belgorodskaja Prawda über die kriminellen Machenschaften des Gebietsgouverneurs, der sich mit seiner Clique schamlos bereichert. In einer spektakulären Artikelserie behandelt sie das Schicksal von sechs Studenten, die angeklagt sind, eine Kommilitonin vergewaltigt zu haben. Dabei deckt sie einen Skandal auf, der an stalinistische Schauprozesse erinnert: gefälschte Beweise, unterdrückte Alibis und Zeugen, die, so überhaupt zugelassen, bedroht wurden.

Zum Freiwild erklärt

Wer so etwas öffentlich macht, mutiert zum „Verbrecher“, mit dem das System gnadenlos abrechnet. Mehrmals wird Olga Kitowa verhaftet und auf der Polizeistation misshandelt – das belegen Polizeivideos. Doch das ist erst der Anfang der Jagd. In ihrer Zeitung ist Olga Kitowa zunehmend isoliert, das Stadtparlament hebt ihre Immunität auf, sie wird zum Freiwild erklärt und ihr wird am Ende der Prozess gemacht, wegen „übler Nachrede und der Verbreitung von Lügen“. Dabei offenbart ihre Verurteilung einmal mehr die Perfidie der Mechanismen. Sie soll nicht nur ein Exempel statuieren, sondern ist der Beweis für die Schuld der Studenten, von denen vier für achteinhalb Jahre in Straflagern verschwinden.

So scheint der Kampf von Olga Kitowa aussichtslos. Und doch macht er Hoffnung. Denn es sind auch die Mütter der Studenten, die für ihre Söhne eintreten und dafür nach Moskau fahren. Dieses Engagement illustriert einen Prozess, der mittlerweile unumkehrbar ist: der Wille, sich nicht länger zu einem rechtlosen Objekt degradieren zu lassen.

Olga Kitowa ist nicht zerbrochen – noch nicht. „Ich werde weiterkämpfen“, lautet ihr Fazit. Zumindest sie weiß sich in ihrem Kampf nicht mehr allein.