Ein kahler Fleck am Hinterkopf

Um den peinlichen Streit über die Haarfarbe des Bundeskanzlers zu übertönen, lenkt die SPD den Blick auf das Haupt des Widersachers. „Wir haben andere Sorgen als die Haare des Kandidaten“, kontert die Union

BERLIN taz ■ Am Freitag fällt das Hamburger Landgericht sein Urteil über die Haarfarbe des Bundeskanzlers. Ist damit der Höhepunkt des Schaum- und Shampoo-Wahlkampfs erreicht? Es sieht nicht danach aus – ganz egal, wie der Rechtsstreit zwischen Gerhard Schröder und der Nachrichtenagentur ddp um die Frage ausgeht, ob des Kanzlers Schläfen gefärbt sind. Diskret, aber zielgerichtet werfen derzeit Schröders Helfer Fragen zum Haarwuchs seines Herausforderers auf.

Erwischen lassen möchte sich dabei keiner, eher schon setzt man auf den Tratscheffekt: Wenn die Geschichte oft genug weitererzählt wird, entfaltet sie womöglich Wirkung. Weil sich an Edmund Stoibers Silberblond weder herumfärben noch -deuteln lässt, soll der Blick der politischen Beobachter auf den Hinterkopf des Kanzlerkandidaten gelenkt werden. Ob man denn dort schon einen kahlen Fleck bemerkt habe? Nun lässt sich das obere Ende von Stoibers 186 Zentimetern nicht so einfach in Augenschein nehmen. Doch die gewöhnlich gut unterrichteten Schröder-Kreise beteuern, der Bayer kämme sich sein Haar so, dass die kahle Peinlichkeit kaschiert werde. An dieser Stelle empfiehlt es sich für den Zuhörer, gebührend schockiert dreinzublicken.

„Wir haben andere Sorgen als die Haare unseres Kandidaten“, kontert ein Sprecher des Stoiber-Teams und spricht von Arbeitslosen und Wirtschaftsdaten. Im Schröder-Team will man aber bemerkt haben, dass die Klage des Kanzlers vor dem Landgericht auch bei der Union zum zurückhaltenderen Umgang mit Haartönungen geführt hat. „Michael Glos ist schon viel grauer geworden“, heißt es über den Chef der CSU-Landesgruppe. Immerhin war es mit Karl-Josef Laumann ein Unionsabgeordneter, der das Bekenntnis zum Naturgrau in den Rang eines Glaubwürdigkeitstests erhoben hat: „Ein Bundeskanzler, der sich die Haare färbt, der frisiert auch jede Statistik.“ PATRIK SCHWARZ