off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Von der Fantasielosigkeit seiner Gesprächspartner war Luis Buñuel doch ziemlich enttäuscht: In Bezug auf seinen Film „Belle de Jour“ hätten alle eigentlich immer nur wissen wollen, was sich in dem merkwürdigen kleinen Kästchen des asiatischen Bordellkunden befindet, von dem sich die Mädchen mit Schaudern abwenden, während die Heldin Severine (Catherine Deneuve) durchaus Interesse bekundet. „Was immer Sie wollen“, pflegte der spanische Regisseur dann zu antworten. Einmal mehr erzählt Buñuel in „Belle de Jour“ (1966) von den erotischen, Marquis-de-Sade-inspirierten Fantasien einer dekadenten großbürgerlichen Gesellschaft: Severine, die Frau eines Arztes, leidet unter Frigidität und masochistischen Zwangsvorstellungen, von denen sie sich erst befreien kann, als sie ihre bürgerliche Existenz aufgibt und sich als Prostituierte in einem Bordell verdingt. Dabei vermischen sich Severines Fantasien und eine vermeintliche Realität, die sich am Ende ebenfalls als ein Hirngespinst Severines entpuppt, zu einem surrealen Traum. Im Bordell trifft Severine auch immer wieder auf den reichen Lebemann Husson (Michel Piccoli), einen Freund ihres Mannes, der ihr zuvor stets Avancen gemacht hatte. Doch Severines plötzliche sexuelle Verfügbarkeit stimuliert ihn nicht mehr: „Was mich an Ihnen so gereizt hat, ist Ihre Unnahbarkeit.“

„Belle de jour“, 18.–21. 5., im Lichtblick

Eine überaus bewegte „Plein-air“-Filmoper: In einer freien Bearbeitung von Smetanas „Die verkaufte Braut“ inszenierte Max Ophüls die meisten Szenen in der Natur und ließ selbst Arien und Orchesterarrangements unter freiem Himmel aufnehmen. Überaus temporeich geht es dabei zu: Da müssen die Darsteller singend einem Schwein nachjagen oder die Flucht vor einem Bären ergreifen – einmal gibt der beleibte Otto Wernicke als Heiratsvermittler Kezal sogar eine Arie in vollem Galopp auf dem Pferd zum Besten. Für Humor sorgen auch Karl Valentin und Liesl Karlstadt, die Ophüls für die Rollen eines Zirkusdirektorenehepaares engagierte, mit ihren improvisierten absurden Dialogen und ihrer umständlichen Logik. Wie Ophüls, der ja vom Theater kam, den Szenen im Zirkus und auf dem Jahrmarkt überhaupt eine besondere Sorgfalt angedeihen ließ: Echte Artisten bemühen sich um eine stimmige Stimmung.

„Die verkaufte Braut“, 19. 5., im Filmkunsthaus Babylon 2

Die Erfindung des Horrorfilms: Als Friedrich Wilhelm Murnau 1921 seinen „Nosferatu“ als unautorisierte Dracula-Verfilmung realisierte, musste er in Ermangelung von Genrevorgaben das Unheimliche erst einmal selbst definieren. Da gab es dann beispielsweise die markante Maske des Vampirs (Max Schreck) mit der Glatze, den spitzen Ohren und den krallenbewehrten Fingern, den Furcht erregenden Schatten dieser Figur und ihre heute etwas seltsam anmutenden – entweder sehr schnellen oder sehr langsamen – Bewegungen. In Hollywood hat man seinerzeit jedenfalls sehr genau auf die deutschen fantastischen Filme geschaut: Von ihrer beklemmenden Stimmung her verdanken die in den frühen 30er-Jahren entstandenen Gruselklassiker „Dracula“ und „Frankenstein“ Werken wie „Nosferatu“ und Paul Wegeners „Golem“ letztlich mehr als den amerikanischen Filmen des Maskenkünstlers Lon Chaney.

„Nosferatu“ (am Flügel: Jürgen Kurz), 20. 5., im Filmkunsthaus Babylon

Werner Peters in seiner besten Rolle: 1951 inszenierte Wolfgang Staudte für die Defa eine Verfilmung von Heinrich Manns „Der Untertan“, in dem Peters als der eigentlich unpolitische Diederich Heßling brilliert, der sich aus purer Angst in autoritäre Strukturen flüchtet, wo ihm das strikte Befolgen von Befehlen eine gewisse Sicherheit bietet. Heßlings Angst hat Staudte mit Auf- und Untersichten der Kamera auch optisch umgesetzt: Während Diederich stets sehr klein erscheint, wirken die „Autoritäten“ groß und bedeutend. Mit seinem Katzbuckeln macht Heßling beruflich und politisch Karriere – ehe er am Ende dann doch im Regen steht.

„Der Untertan“, 22. 5., in der Börse

LARS PENNING