völkerschlacht an der hardrockfront von JÜRGEN ROTH
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Rockmusik, selbst „der härteren Gangart“, macht manchmal Spaß – zum Beispiel wenn das Fernsehen, das sonst zu gar nichts mehr taugt, die Veranstaltung „Rock im Park“ in einer Zusammenfassung bringt und es wahrlich derart bewahrenswert schön krawallt, kaschemmt und kadönst, dass man sich sogar traut zu gestehen, eine Sendung des Bayerischen Rundfunks anzusehen.

So geschah es am 24. April 2002, und es war fast noch freudvoller als das mir neuerdings recht liebgewordene MTV-Gerammel rund um so obskure Formate wie die brachiale Slapstickserie „Jack Ass“ oder das in jedem Feuilleton erschütternd ungerührt annoncierte Großereignis der Realsitcom „The Osbournes“, ein mir unerklärlich komisches und trauriges Dokument des gerontokratischen und gleichwohl würdehaltigen häuslichen Treibens des Black-Sabbath-W.-C.-Fields’ Ozzy Osbourne.

Bisweilen labt uns das Fernsehen und erquickt honigsüß unser töricht Gemüt, und dann eben sogar das Münchner. Und dann tun wir etwas Unverzeihliches, und wir drücken die Videotexttaste, und der „Bayerntext“ teilt uns zu „Rock im Park“ mit: „Die Bands der harten Gangart im direkten Vergleich: (ned)pe aus Kalifornien mit Rap-Metal, die erfolgreiche Bostoner Gruppe Godsmack mit Industrial-Metal. Dazwischen hält Blackmail aus Koblenz die deutschen Fahnen hoch.“

Es tat körperlich weh, das zu lesen. Ozzy Osbourne war nicht greifbar, um den Schmerz zu lindern – ein durch sein Beverly-Hills-Domizil tatternder und „Fuck schreiender“ (Gerhard Polt) Greis, der seinen Kindern das Rauchen verbietet, weil er’s seit zwei Wochen oder sieben Jahren aufgegeben hat; ein brav sorgender Vater und deppert-dösiger Homedominator, der so blödes Zeug daherquatscht, dass einem ganz warm ums Herz wird. „What the fuck are you fuckin’ doin’ in the fuckin’ kitchen with the fuckin’ set of dishes, fuck, yeah, fuck off, fuck you, children, you’re fuckin’ mad, aren’t fuckin’ you?“

Um angesichts der deutschen Fahnen am Deutschen Eck an der heute so harten Hardrockfront nicht länger ums Dreiländereck herumzureden: Das kosmopolitisch ausgewogen britisch-amerikanische Duo Glenn Hughes und Joe Lynn Turner, das sich zu einhundert Prozent aus dem gescheitertsten Part der so genannten Deep-Purple-Family rekrutiert, ist mir dann, häuslich-behaglich gesehen, trotz der zweifelhaften CD htp doch schon sehr viel lieber als die Koblenzer Pestpost via Bayerntext. Zumal mir eine Werbeanzeige zu ebenjener Platte, dem „Longsilver“ htp, am Leipziger Buchmessensamstag, dem 23. April, via Leipziger Volkszeitung versicherte, dass die beiden, der glamouröse Glenn und der jickelige Joe, zwischen zweitausend Tonnen anderen neuen Rockpopprodukten einwandfrei die Stellung hielten, dergestalt sie bewiesen, dass sie: „noch lange nicht zum alten Eisen gehören“.

„Wir beweisen, noch – lange – nicht – zum – alten – Eisen – zu – gehören“: ein Satz, der rostfrei und hammerhart ins Völkerschlachtdenkmal gemeißelt gehört. Völker, hört ihr die Schläge schon?