Trabi im ersten Gang

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zeigt sich bei ihrem vorletzten WM-Test frei von jeglicher WM-Form und verliert gegen Wales mit 0:1. Rudi Völler lässt sich davon aber nicht nervös machen

von FRANK KETTERER

Kurz nach Schlusspfiff und nur für einen kurzen Moment lang schien es, als sei Rudi Völler kräftig unzufrieden mit dem, was er sich eineinhalb Stunden lang hatte bieten lassen müssen. Das gütige Lächeln war aus seinem freundlichen Teamchefgesicht gewichen und hatte gar der ein oder anderen Sorgenfalte Platz gemacht. Und zu dieser Leidensmiene machte der Republik oberster Fußball-Lehrer auch noch die passende Handbewegung, eine abwinkende nämlich, bevor er im Bauch des mächtigen Millennium-Stadions zu Cardiff verschwand.

Keine Viertelstunde später, als es daran ging, der versammelten Presse eine Erklärung zu liefern für den kümmerlichen Kick mit dem noch kümmerlicheren Ergebnis, als es also galt, die zur 0:1-Niederlage gegen Wales passende Analyse aufzubieten, hatte Rudi Völler sich längst wieder geordnet – und selbst das Rudi-Lächeln war auf sein Teamchefgesicht zurückgekehrt. Und dazu sagte Völler Teamchefsätze wie: „Das Wort Freundschaftsspiel ist in der ersten Hälfte zu sehr strapaziert worden.“ Wahlweise: „Das sind keine normalen Länderspiele, das sind Spiele in der Vorbereitung.“ Und: „Die Niederlage ist verdient. Aber was zählt, ist nur die WM.“ Oder gar: „Wir dürfen nur nicht in Panik verfallen, den Fehler haben wir schon öfter gemacht.“

Warum auch Panik, wo doch noch satte 16 Tage Zeit ist, bevor die deutsche Mannschaft in Sapporo gegen Saudi-Arabien ins WM-Turnier startet? Und außerdem: Musste Völler nicht auch gegen Wales erneut auf Stammkräfte verzichten, weil die Leverkusener Ballack, Schneider, Ramelow und Neuville am Tag danach noch in der Champions League wirken mussten und auch der Dortmunder Wörns (wurde operiert) sowie der Berliner Rehmer (noch angeschlagen) fehlten? Und sind Deisler und Ziege, die in Cardiff von Beginn an und gut eine Stunde lang mitwirken durften, nicht mehr oder weniger noch Rekonvaleszenten?

„Bei der ganzen Konstellation mit angeschlagenen und fehlenden Spielern sowie den diversen Endspielen wussten alle, dass es nicht funktionieren würde in diesen Spielen“, hat Rudi Völler am späten Dienstagabend deshalb gesagt – und das hat, zumindest aus Teamchefsicht, durchaus was für sich. Andererseits kann es nur Schlimmstes befürchten lassen, dass Völler sich mit einem ebenso ersatzgeschwächten wie angeschlagenen wie ausgelaugten Kader, der zudem so gut wie nicht eingespielt ist, nach Asien zum großen Fest aufmachen muss. Ein bisschen ist das so, als bestreite Michael Schumacher seine Testfahrten immer nur im ersten Gang – und im Trabi. Aber bitte – gemäß Völlers Ansinnen: Nur keine Panik auf der Titanic!

Wobei: Was Jeremies und Hamann aus der Zentralen als Spiel organisierten, war fragmentarisch und dürfte demnächst große Last auf die Schultern Ballacks türmen. Wie widerstandslos sich die Defensivabteilung um Metzelder und Linke vom jungen Robert Earnshaw, der sonst beim Drittligisten Cardiff City kickt und dem die Ehre des Siegtreffers 17 Sekunden nach der Pause zuteil wurde, narren ließ, war gar furchterregend; dass demnächst Ramelow, vielleicht auch noch Rehmer als Stabilisatoren zurückkehren, spendet nur unwesentlich mehr Zuversicht. Hinzu kam der offensichtlich fehlende Wille, aus einem Testspiel auch einen wirklichen Test werden zu lassen, obwohl man sich doch zur WM-Vorbereitung eigens ein dem britischen Fußball frönendes Team – als Einstimmung auf WM-Vorrundengegner Irland – ausgewählt hatte sowie eine überdachte Spielwiese, wie man sie zum WM-Auftakt im Sapporo-Dome vorfinden wird. Die Mühe hätte man sich auch noch sparen können.

„Ich muss den Vorwurf machen, die Waliser auf die leichte Schulter genommen zu haben“, sagte denn auch Völler – und war ziemlich sicher, so den Hauptgrund für die miese Darbietung gefunden zu haben. Denn, so der Teamchef: „Im Spiel dann den Schalter umzulegen, ist schwierig.“ Es während einer WM zu tun freilich kaum einfacher. Dennoch: Für die deutschen Kicker liegt im Glauben daran das letzte Fünkchen Hoffnung.

Wales: Crossley - Delaney, Page, Melville, Speed - Pembridge, Savage, Davies - Robert Earnshaw (90. Coleman), Giggs - HartsonDeutschland: Kahn - Heinrich, Linke, Metzelder, Ziege (63. Bode) - Hamann (73. Kehl), Jeremies - Deisler (63. Asamoah), Frings - Bierhoff (72. Jancker), Klose Tor: 1:0 Earnshaw (46.)