Ungeklärter Tarifwirrwarr

Schon jetzt wirbt die Bahn AG mit ihrem neuen Preissystem, das ab Ende des Jahres mehr Übersichtlichkeit und Transparenz sowie niedrigere Preise für den Kunden bringen soll. So richtig in die Karten gucken lässt sie sich dabei aber nicht

von KATHINKA LÜBBEHÜSEN

Die versprochene „Lichtung des Tarifdschungels“ der Deutschen Bahn AG durch das neue Preissystem rückt immer näher. Seit kurzem finden Bahncard-Besitzer in ihren Briefkästen eine Broschüre. Darin stellt die Bahn die neue Bahncard sowie das ab 15. 12. 02 geltende Preissystem für den Fernverkehr vor. Drei Säulen stützen das Dach des Modells: Grundpreis, ermäßigte Sonderpreise und die neue Bahncard als Eintrittskarte zu weiteren Rabatten. Auf den ersten Blick scheinen die Tarife tatsächlich entwirrt und verbilligt worden zu sein, doch bei genauerem Hinsehen trifft das nur zum Teil zu.

Der Kunde soll durch die Neuerungen von einem transparenten System und günstigerem Reisen profitieren. Die Bahn will ihre Züge besser auslasten. Durch die Sonderpreise „Plan & Spar“ ergeben sich Rabatte von 10 bis 40 Prozent, auf die Bahncard-Besitzer noch mal 25 Prozent Ermäßigung erhalten. Manko ist jedoch, dass spontane Reiselust teuer wird. Denn Zugriff auf die Sonderpreise erhält nur der Reiselustige, der seine Fahrt vorausschauend unter dem Motto „Wer plant, der spart!“ festlegt. Je günstiger die Kondition, desto eher muss die Buchung erfolgen. Zudem ist man verpflichtet, eine festgeschriebene Route und Zuganbindung einzuhalten sowie teilweise Hin- und Rückfahrt mit einer Wochenendbindung zu buchen. Der DB-Slogan „Bahnfahren bleibt flexibel – zu jeder Zeit, mit jedem Zug!“ wirkt da eher ironisch.

Im Vergleich zur jetzigen Bahncard fällt auf, dass gerade ihre Flexibilität und der immer gleiche Rabatt von 50 Prozent sie beliebt gemacht hat. „Dass immerhin drei Millionen Bahncards im Umlauf sind, zeigt, wie sehr die Kunden die Flexibilität der Bahncard schätzen“, so der Fahrgastverband Pro Bahn.

Eine große Entschlüsselungsschwierigkeit des neuen Tarifsystems besteht darin, dass die Rabatte zwar genannt werden, die Preise jedoch nicht. So heißt es beispielsweise, dass der Grundpreis, welcher die Nutzung aller Züge zu allen Zeiten ermöglicht, günstiger wird, je weiter die Entfernung zum Zielort ist. Es gibt also keinen fixen Kilometerpreis mehr wie bisher. Dennoch klärt sich nicht, in welchen preislichen Relationen sich dieses erst mal gut klingende Angebot bewegen wird. Ein authentischer Preisvergleich fällt so ins Wasser.

Scheinbar verlockend und innovativ klingt die Gratismitnahme von Kindern bis einschließlich 14 Jahren in Begleitung von Eltern oder Großeltern. Der Gedanke, dass die Bahn hier nur ihr Image polieren möchte, taucht allerdings auf, wenn man bedenkt, dass nur wenige Kinder mit der Bahn reisen, womit die vermeintliche Verbesserung „als Beibehaltung des Ist-Zustandes zu werten ist“ (Pro Bahn). Ähnlich verhält es sich mit den Vergünstigungen für Mitfahrer: Auch in der alten Regelung gab es für sie 50 Prozent Ermäßigung.

Weiter fällt auf, dass die Bahn in ihrer Vorstellung nicht bekannt gibt, wie preisliche Unterschiede innerhalb der verschiedenen Züge wie ICE, IC und IR aussehen werden. Es taucht die Frage auf, ob es in Zukunft vielleicht nicht nur einen Grundpreis, sondern Grundpreise je nach Zuggattung geben wird. Ebenfalls unklar ist, wie sich das neue System auf den Nahverkehr auswirken wird.

Das Fortbewegungsmittel Bahn wird also teilweise teurer, teilweise billiger. Für wen und welche Bedürfnisse was gilt, lässt sich allerdings erst erschließen, wenn die Bahn konkrete Preise veröffentlicht. Pro Bahn meint, dass die von dem Unternehmen aufgeführten Referenzpreise die Vermutung nähren, dass es insgesamt eher zu einer Preiserhöhung kommen wird. Auch in Zukunft wird die Beratung am Schalter den Verkaufsvorgang „enttrüben“ müssen.

Infos: www.probahn-bus.org/exdat/hs45.PDF, www.db.de