Gerangel um Fischereireform

Auf der Tagesordnung steht die europäische Fischfangpolitik schon lange – nur verhandelt wird sie nicht. Schuld daran sollen ausgerechnet die Spanier sein

BRÜSSEL taz ■ Der finnische Ombudsmann Jacob Söderman bekam gestern Post vom dänischen Europaabgeordneten Jens-Peter Bonde. Der schrieb, er fordere eine unabhängige Untersuchung darüber, warum die EU-Kommission die angekündigte Fischereireform zweimal verschoben habe und warum der zuständige dänische Generaldirektor Steffen Smidt von seinem Posten entbunden worden sei.

Bei dem Streit handelt es sich keineswegs um eine kleinliche Querele unter Nordlichtern. Vielmehr steckt der schwere Vorwurf dahinter, die spanische Regierung habe ihre Einflussmöglichkeiten als amtierende Ratspräsidentschaft missbraucht und unzulässigen Druck auf Kommissionspräsident Romani Prodi ausgeübt. Deshalb sei der für Fischereiwesen zuständige Kommissar Franz Fischler gezwungen gewesen, seine zuletzt für den 24. April angekündigten Vorschläge zum zweiten Mal zu verschieben.

Dabei geht es um viel Geld. Spanien befürchtet, EU-Subventionen für Schiffbau und Flottenmodernisierung zu verlieren, die es bislang aus dem dafür eingerichteten Strukturfonds bezahlt bekam. In der Finanzperiode 1994 bis 1999 erhielt die spanische Fischereibranche knapp eine Milliarde Euro – das ist die Hälfte der EU-weit für Fischerei bereit gestellten Subventionen. Auch Irland, Portugal und Griechenland würden durch die Reform Subventionsansprüche verlieren.

In der EU gibt es knapp über hunderttausend Fischtrawler. Die meisten Boote (20.445) gehören griechischen Eigentümern. Es folgen Italien (18.934), Spanien (17.521) und Portugal (11.171). In einem so genannten Grünbuch hatte die EU-Kommission im März vergangenen Jahres festgestellt, dass die Flotten drastisch verkleinert werden müssen, wenn die Fischbestände sich erholen sollen. Vor allem Kabeljau und Seehecht wurden damals als bedroht eingestuft. Die derzeitige Subventionspolitik stehe in krassem Gegensatz zum Grundprinzip nachhaltigen und ressourcenschonenden Wirtschaftens, stellten die Autoren des Grünbuchs fest.

„Wenn jeder nur seine eigenen Interessen durchsetzen will, können wir den Laden Europa gleich dicht machen“, schimpfte die Cuxhavener Europaabgeordnete Brigitte Langenhagen, nachdem die Änderung der Tagesordnung bekannt geworden war. Kommissar Franz Fischler versicherte dagegen, er habe sich nicht dem Druck der spanischen Regierung gebeugt. Die Ängste und Sorgen gegenüber der Reform müssten aber entkräftet werden. Dabei komme es auf ein paar Wochen mehr oder weniger nicht an. Die Kommission habe zusätzliche Informationen und Analysen angefordert und werde ihre Reformkonzept nun am 28. Mai vorlegen.

Ganz anders schildert der Däne Jens-Peter Bonde den Vorgang. Im spanischen Fernsehen habe der ehemalige Europaabgeordnete und jetzige spanische Landwirtschaftsminister Miguel Arias Canete zugegeben, mit Hilfe der beiden spanischen EU-Kommissare die Reform stoppen zu wollen. Pedro Solbes sei dennoch bei seiner reformfreundlichen Haltung geblieben, de Palacio habe aber am 16. April ihren Kollegen Franz Fischler in einem Brief aufgefordert, das Reformkonzept zu ändern. Da Fischler auf den Vorschlag nicht eingegangen sei, habe der spanische Premierminister Aznar direkt bei Kommissionschef Prodi angerufen. Der habe das Projekt daraufhin von der Tagesordnung genommen und am folgenden Tag dann überraschend den zuständigen Generaldirektor entlassen. DANIELA WEINGÄRTNER