Kita gucken in China

■ Ilse Wehrmann, Leiterin der evangelischen Kindertagesstätten, fährt nach China. Das Wort „Kindergarten“ kennt man dort schon

Ihren 52. Geburtstag wird Ilse Wehrmann im Juli in Shanghai feiern. Ob Party oder nicht, ist noch völlig unklar. Wehrmann: „Ich weiß nicht, wie ich an diesem Tag verplant bin.“ Denn: Die Vorsitzende der evanglischen Kindergärten in Deutschland fährt nicht für einen Erholungsurlaub ins Land von Pandabär und Mao, sondern zum Arbeiten.

Die Regierung in Peking hat Wehrmann, die auch Leiterin der Bremer Evangelischen Kindertagesstätten ist, eingeladen, um sich vom Erziehungs-Know-How des Westens eine Scheibe abzuschneiden. Immerhin vertritt die Bremerin ein Drittel aller Kindergartenplätze in Deutschland.

„Es geht vor allem darum, über das deutsche Kindergartensystem zu informieren“, erklärt Wehrmann. „Außerdem wollen wir Kontakte und auch Partnerschaften aufbauen.“ Sie geht davon aus, dass die Begegnung der „Beginn weiterer Kontakte“ ist.

Von Interesse für die chinesischen Fachleute ist vor allem die integregative Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Kindern. Außerdem wollen die Chinesen alles über altersgemischte Gruppen in Deutschland wissen – das ist auch beim Bevölkerungsungsweltmeister ein Problem, weil inzwischen immer mehr Frauen immer weniger Kinder bekommen. Die Folge: Die chinesischen Kindergärten müssen die Altergruppen mischen.

Und worin besteht der Unterschied zwischen einem deutschen und einem chinesischen Kindergarten? „Ich glaube, dass es viel verschulter und sehr viel mehr reglementiert ist“, ahnt Wehrmann, die sich noch vor Ort schlau machen will. Eins haben die chinesischen Kindergärten aber auf jeden Fall, was andere nicht haben. Wehrmann: „Jeder Raum ist mit Computer, Klavier und Fernsehen ausgestattet.“

Beeindruckt ist die Chefin der evangelischen Kindergärten auch von der Schnelligkeit der Chinesen, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. „Ich glaube, dass wir von ihnen lernen können, dass sie schneller und flexibler, bestimmte Dinge, die sie für notwendig erachten, an Lehrerfortbildung oder Erziehungsfortbildung umsetzen.“ Angesichts der PISA-Ergebnisse hält Wehrmann schnellere Entscheidungen im Bildungsbereich für unbedingt notwendig.

„Ich werde in Peking, in Shanghai und im Süden sein“, berichtet Wehrmann. „Alles, was in China passiert, hat die chinesische Delegation ausgearbeitet.“ Nur zwei Wünsche hat sie: die chinesische Mauer sehen. Und, dass es nicht zu heiß wird. „Juli ist nicht gerade die Traumzeit für China, denn im Hochsommer wird es dort um die 40 Grad heiß.“

Dass sie als Vertreterin einer kirchlichen Organisation in ein sozialistisches Land fährt, bewegt Wehrmann nicht weiter. „Im Vordergrund steht der fachliche Austausch, nicht der religionspädagogische“, sagt sie und ergänzt, die chinesischen Fachleute würden es sogar interessant finden, dass zwei von drei Kindergärten in Deutschland unter kirchlicher Verwaltung stehen.

Die beiden Delegationen werden sich per Dolmetscher verständigen müssen. Nur für einen Begriff sind keine ÜbersetzerInnen nötig: Das deutsche Wort „Kindergarten“ verstehen auch die Chinesen.

Anne Reinert