Der Stoff für Beobachtungen

Mit ihrer Film-Installation „Deal“ zeigen Christopher Roth und Franz Stauffenberg in der Galerie Schipper & Krome junge Leute, die auf Drogen warten. Selbst an das Überwachungsszenario ist mit drei Minimonitoren gedacht worden

Gedealt wird nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg. Oder anders gesagt: Die Video-Installation „Zehn nach zehn“ von RothStauffenberg, die zuzeit in der Ausstellung „Art & Economy“ in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen ist, gehört eigentlich mit zum „Deal“, den Christopher Roth und Franz Stauffenberg momentan in der Galerie Schipper & Krome am Laufen haben. „Zehn nach zehn“ zeigt eine Gruppe junger Leute, die in einer gepflegten Altbauwohnung auf den Mann mit den Drogen warten. Aber „Zehn nach zehn“ ist nicht einfach klassische Filmdramaturgie, ein geschnittenes Szenario aus Schuss und Gegenschuss. „Zehn nach zehn“ besteht aus fünf Filmen, aufgenommen von fünf Kameras, aus fünf unterschiedlichen Perspektiven, die nun über fünf im Raum verteilte Monitore laufen.

Die Filme könnten das Material für eine komplexe Montage, die Mise en scène liefern. Und in gewisser Weise tun sie es auch, denn durch den Umstand, dass der Betrachter in Hamburg nie alle Filme gleichzeitig sehen kann, dass er im Gegenteil von einem Monitor zum andern gehen muss, erledigt er den Perspektivwechsel und seine zeitliche Abfolge ganz von selbst. Es ist im übrigen ziemlich frustrierend, nicht anders als gegen das Konzept der Installation schauen zu können, die ja die filmisch zwangsläufige Allianz aus Zeit und Raum auseinander dividiert und das Nacheinander als ein Nebeneinander zeigt.

In Berlin läuft im Splitscreenverfahren jede der fünf gleich langen Einstellungen parallel auf einem einzigen großen Bildschirm. Und jetzt wird auch die Ironie der Angelegenheit noch einmal deutlicher: Mit fünf gleichzeitigen Kameras arbeitet man eigentlich nur beim Actionfilm, wenn bestimmte Szenen nicht mehr wiederholt werden können. Der Deal freilich zeigt das ganze Gegenteil, eine eher unersprießliche, öde Angelegenheit. Das Warten, das gezeigt wird, ist leere Zeit und damit scheinen auch die Bilder leer. (Okay, man erkennt in den Käufern Leute aus der Berliner Kunstszene, beziehungsweise aus Christopher Roths aktuellem Spielfilm „Baader“, was eine gewisse semantische Aufladung mit sich bringt.)

Schon in ihren früheren Arbeiten haben RothStauffenberg im Kunstraum den Film - vor allem in seiner standardisierten, kommerziellen Form - mit dem Material und den Mitteln des Films dekonstruiert. In den Videos „Cincinnati, 1983“ und „Pacific Ocean, 1969“ etwa füllten sie in vier Schritten den immer gleichen Loop, der die Aufzeichnungen der Black Box zweier abstürzender Flugzeuge zeitgenau nachstellte, mit immer mehr Bild-, Ton- und Musikmaterial auf, ohne den zeitlichen Ablauf zu dehnen. Was nur zeigte, wie viele Leerstellen es in den 15 Minuten der Blackbox, also dem Dokument eines eigentlich hochdramatischen Ablaufs, gibt, die später zugemüllt werden können. Böser oder besser kann man „the making of“ eigentlich nicht offen legen.

Bei Schipper & Krome werden die Wartenden von weiteren Wartenden beobachtet. Auf einem Tisch sind drei Minimonitore installiert, die zwei Beschattungsbeamte vor dem Haus, in dem der Deal passieren soll, zeigen. ber auch diese Investigationsplattform ist ein Andachtsbild des Off, der Leerzone, der Abwesenheit von Aktivität bei gleichzeitig ständig mitlaufender Konzentration, manifestiert im mitlaufenden Film. Und sowenig die Leute ihre Lieferung bekommen, so wenig bekommt der Betrachter die Story, auf die alles hinweist. Aber so läuft der Deal nun mal. BRIGITTE WERNEBURG

Bis 25.5., Di–Sa 11–18 Uhr, Galerie Schipper & Krome, Linienstr. 85