lautlaubsauger, musst dich wenden! von WIGLAF DROSTE
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Wenn Jungdeutsche in der Schule keine Gedichte mehr auswendig lernen dürfen oder müssen, ziehen sie los und bringen andere um. Nachdem der Trauerflor abgebunden wurde, werden jetzt Fragen laut: Wer ist das in Schuld? Die Unterhaltungsindustrie? Das Fernsehprogramm? Oder nicht doch der FAZ-Top-Lyriker Durs Grünbein, von dem niemand, der bei Sprache, Rhythmus, Melodie und Trost ist, jemals ein Gedicht auswendig lernen könnte, selbst wenn er wollte? Der Tausende junge Lernwillige lyrisch frustrierte und in Verzweiflung stieß? Nein, das wäre zu einfach. Grünbein, als Dichter ein Haufen Quiquaequod, gleich für einen ganzen Amoklauf verantwortlich zu machen hieße schlechte Literatur überschätzen. Wenn man einen über den Durs gelesen hat, schimmert sogar Ludwig Uhlands „Frühlingsglaube“ von 1813 als Zugewinn auf, ein Lieblingsgedicht der Deutschen oder zumindest der deutschen Lyrik-Anthologen:

„Die linden Lüfte sind erwacht,

Sie säuseln und weben Tag und Nacht,

Sie schaffen an allen Enden.

O frischer Duft, o neuer Klang!

Nun, armes Herze, sei nicht bang!

Nun muss sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,

Man weiß nicht, was noch werden mag,

Das Blühen will nicht enden.

Es blüht das ferne, tiefste Tal:

Nun, armes Herz, vergiß der Qual!

Nun muss sich alles, alles wenden.“

Wer solche Gedichte auswendig lernt, der schreit nicht „Fuck!“, der läuft nicht Amok, der mordet nicht – sondern träumt lieber inniglich von Veränderung: „Nun muss sich alles, alles wenden.“ Das möchte auch Jürgen Trittin, der grüne Umweltminister, der seiner Partei weit voraus ist. Als Erster hat er eingesehen, dass die Grünen auf dem Feld der großen Politik nichts zu bestellen haben, aber im kleinen doch hübsch wirken können: Verkehrsberuhigung und Fahrradweg sind die historischen Aufgaben der Grünen. Die Belästigung durch LERM möchte Trittin dankenswerterweise ebenfalls einschränken: Eine neue – Klassewort – Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung soll das geplagte menschliche Ohr vor den röhrenden Geräteparks so genannter Nachbarn oder Mitmenschen schützen, und der schurkische, Flora und Fauna vernichtende Laubsauger, den Trittin „Laubbläser“ nennt, soll nicht mehr uneingeschränkt zum Einsatz kommen dürfen. Trittin erteilt dieser Ausgeburt ordnungswahnhafter Zwangscharaktere eine deutliche Absage: „Es muss nicht immer der Laubbläser sein, es darf wieder mehr geharkt werden.“ Und weil Jürgen Trittin diesen wahren Satz – zumindest bisher – nicht gleich wieder zurückgenommen hat, sei er bedichtet als Frühlingsheros:

Der deutsche Gärtner ist erwacht,

Ölt, prokelt, wullackt, Tag und Nacht,

Er kann nicht geräuschlos säen.

O armes Ohr, wie wird dir bang:

Der Landsmann, unter Ordnungszwang

will wieder lärmend Rasen mähen.

Und mähend rasen, den ganzen Tag,

Was keiner, der ein Ohr hat, mag,

Doch Herr Trittin, sehr weise,

Verbietet Lautlaubsaugerqual.

So Mensch, verlass dein Jammertal.

Trittin harkt – hör doch mal: ganz leise