„Online Today“ geht offline

Schuld sind nicht nur Werbeflaute und Dotcom-Kater. Programmzeitschriften für das Internet haben sich überlebt

Ein PrintmMagazin zum Internet sei „so sinnvoll wie ein Kühlschrank in der Antarktis,“ schrieb User WildLion in einem Diskussionsforum zum Exitus der Zeitschrift Online Today. Der Verlag Gruner+Jahr begründete indes die Entscheidung mit den „seit Mitte 2000 nachhaltig rückläufigen Anzeigen- und Vertriebserlösen im Segment der Internetmagazine und der damit fehlenden wirtschaftlichen Perspektive“. Das Aus kam nicht überraschend: Schon vor einem halben Jahr hatte Vorstandschef Bernd Kundrun auf einer Betriebsversammlung Konsequenzen für den Fall angekündigt, dass sich die Marktlage nicht verbessere.

Dabei begann alles so vielversprechend. Das Blatt war erstmals 1996 als TV-Today-Sonderheft erschienen – der inzwischen ebenfalls kriselnden TV-Zeitschrift aus dem Magazin-Verlag am Fleetrand (MVF), einer 100-prozentigen G+J-Tochter. Das Internet war kurz davor, zum Massenmedium zu werden. Die Printmedien waren verunsichert und experimentierten. Eine Programmzeitschrift für das Internet sollte es werden, mit leicht verständlicher und Lifestyle-orientierter Berichterstattung über Computer- und Internetthemen. Die mehrfach erschienenen Sonderhefte war überaus erfolgreich, also wurde ein eigenständiges Magazin daraus. Erster Chefredakteur war Andreas Schmidt, der später AOL-Deutschland-Chef wurde und zuletzt den von ihm eingefädelten Bertelsmann-Deal mit der MP3-Tauschbörse Napster fürchterlich in den Sand setzte. Inzwischen hat er den Konzern verlassen, natürlich „auf eigenen Wunsch“.

Sein Nachfolger Kornelius Fürst bastelte zwar mehrfach am Heftkonzept, doch zur Auflagensteigerung kamen nur überholt-fragwürdige Strategien zum Zuge: Das ehemals erfrischend freche Blatt mutierte langsam, aber unaufhaltsam zum verklemmten Männermagazin: Pamela Anderson, Gina Wild, Lara Croft, Verona Feldbusch – und wieder von vorn. Um nicht vollends aus der Onlinekurve zu fliegen, gab es daneben allerlei Nutzwertiges; mit dem „Webguide“ im Mittelteil wurde bis zum Schluss versucht, das Konzept einer TV-Zeitschrift auf die Onlinewelt zu übertragen. Offenbar kam die Mischung bei Lesern und Anzeigenkunden dennoch an: Als Mitte 2000 die Dotcom-Seifenblasen zu platzen begannen und auch der letzte Traumtänzer begriff, dass das Internet auch nur ein Medium ist wie jedes andere, konnte sich Online Today vergleichsweise immer noch halbwegs am Markt behaupten.

Ein im letzten Jahr von der G+J-Textfabrik konzipiertes Multimediamagazin erschien dagegen erst gar nicht, auch eine neue Internetillustrierte des Bauer-Verlages erreichte nie den Kiosk. Das Heise-Publikumsblatt emos („Das Magazin für ein bewegtes Leben“) erschien nur ein einziges Mal, und Hauptkonkurrent Tomorrow aus dem Milchstraße-Verlag wurde im Sommer 2001 von 14-tägiger auf monatliche Erscheinungsweise zurückgedreht. Die Hälfte der Mitarbeiter verlor den Job, und Brancheninsider vermuten, dass wohl auch Tomorrow bald vollends eingestellt wird.

Noch härter als der Rückgang der verkauften Auflage (fast 30 Prozent auf zuletzt 116.000 Exemplare) traf Online Today das durch die Dotcom-Krise verursachte Ausbleiben von Anzeigenkunden. Das in guten Zeiten mehr als üppig ausgestattete Heft schrumpfte auf zuletzt 146 Seiten; selbst an den Honoraren für freie Mitarbeiter wurde drastisch gespart. Genutzt hat es nichts: G+J gehört zum Bertelsmann-Konzern – und der pocht auf seine Umsatzrenditen. Ein Objekt, das keinen Reibach abwirft, wird eingestellt: „Für das Segment ist nach unserer Beurteilung derzeit kein Hoffnungsschimmer in Sicht. Wir bedauern die Einstellung sehr und bedanken uns bei allen Mitarbeitern für ihr großes Engagement“, sagte G+J-Zeitschriftenvorstand Rolf Wickmann. Die betroffenen 34 Mitarbeiter sollen sozialverträglich abgewickelt werden, nach dem Willen des Verlages sollen sie bis zum 22. Mai einen Aufhebungsvertrag unterschreiben. Redakteur Kay Sokolowsky: „Die Schließung von Online Today ‚aus wirtschaftlichen Gründen‘ kommt mir vor wie Hohn. Gruner+Jahr hat schon ganz andere defizitäre Objekte verkraftet. Aber der Konzern fährt seit einem Jahr die Salamitaktik: kleine Teile abschneiden, bevor die großen geräuchert werden. Doch vor dem Börsengang von Bertelsmann ist offenbar alles wurst.“

So schlimm das für die Mitarbeiter sein mag, vielleicht hat WildLion Recht: Alles was es über das Internet zu wissen gibt, kann problemlos über Suchmaschinen, Portale oder sonstwie im Netz selbst abgerufen werden. Sekundärmedien wie Publikumszeitschriften à la Online Today sind heute überflüssig: Am 29. Mai erscheint das letzte Heft.

DIETER GRÖNLING

Dieter Grönling war fünf Jahre Online-Today-Mitarbeiter und dort bis August 2001 Ressortleiter „Magazin“