■ Die „Wahrheit“ reizt zum Widerspruch
: „Bekennen“ ist wertfrei

betr.: „der homosexuelle mann …“, taz vom 14. 5. 02

Mit Bemerkungen wie „Hey, ich bin’s, euer Schwuli“ zieht Elmar Kraushaar längst überfällige Initiativen noch nicht geouteter Prominenter in den Schmutz. Wer Eigenschaften seiner Person offenbart, schafft Klarheit und kanalisiert Energien, die ansonsten beim Verheimlichen und Unterdrücken verbraucht werden. Schwule und Lesben, die an die breite Öffentlichkeit treten, um zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen, verdienen mindestens Respekt für ihre Zivilcourage.

Warum sollte man nicht auf Eigenschaften hinweisen dürfen, die nicht mehr negativ besetzt sind? Werden verstaubte Klischees nicht auch dadurch beseitigt, dass Menschen, die nicht offensichtlich und augenscheinlich einer Minderheit zuzuordnen sind, sich zu ihr bekennen? Ob es sich um eine andere Religion oder um eine andere sexuelle Orientierung handelt, ist zunächst einmal einerlei. Relevant ist aber, dass es um Minderheiten geht. Wer dem Mainstream entspricht, braucht in der Tat nicht extra darauf hinzuweisen, da dies von vornherein angenommen wird.

Für sehr bedenklich halte ich es, wenn Elmar Kraushaar in diesem Zusammenhang von Schuld spricht. Allein die Sprache des Autors weist bereits auf eine eigene negative Grundhaltung im Verständnis von Minderheiten hin. Das Wertvollste einer Gay Community ist doch die Anzahl der Menschen, die ins Licht treten, um für sich und für andere Solidarität aufzubauen. Mir sind keine Beispiele bekannt, wie es durch Schweigen und Verheimlichen zu Solidarität kommen kann. Im Grunde kann man doch nur hoffen, dass der Schritt von Klaus Wowereit Schule machen wird.

BORIS FIEDLER, Dietzenbach

Dass sich Elmar Kraushaar über den Begriff des „Sich-Bekennens“ im Zusammenhang mit Homosexualität ärgert, erstaunt mich. „Sich bekennen“ bedeutet doch nichts anderes, als die Öffentlichkeit von etwas in Kenntnis zu setzen, das nicht als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird. „Bekennen“ ist in diesem Zusammenhang völlig wertfrei und hat zunächst einmal nichts mit Schuldeingeständnis zu tun – dieses wird von hetero- wie homosexuellen JournalistInnen erst hineininterpretiert.

Bei Politikern, über deren Privatleben nichts bekannt ist, wird stillschweigend vorausgesetzt, dass sie heterosexuell sind. Deshalb müssen sie sich auch nicht zu ihrer Heterosexualität bekennen. Bei schwulen und lesbischen PolitikerInnen, die nun mal in der Minderheit sind, ist das anders und wird wohl immer anders bleiben. Natürlich kann man auch schreiben: Pim Fortuyn hat die Öffentlichkeit von seiner Homosexualiät offensiv in Kenntnis gesetzt – was auch in Holland und gerade für eine rechtspopulistische Partei sicher keine Selbstverständlichkeit ist. Ich hätte es spannender gefunden, wenn Kraushaar zu dieser politischen Kuriosität ein paar Sätze geschrieben hätte. AXEL KRÄMER, Berlin