De Gaulle und Blair im Sahel vereint

Mali versucht mit der Wahl des respektierten Exgenerals Amadou Toumani Touré zum Präsidenten einen Neuanfang

BERLIN taz ■ Er kehrt wie selbstverständlich an die Macht zurück, so wie einst in Frankreich General de Gaulle, als er die Fünfte Republik gründete. Mali ist stolz auf die Parallele zwischen dem großen Franzosen und seinem neuen Präsidenten Amadou Toumani Touré, der nach provisorischen Zahlen die Stichwahl vom 12. Mai mit über 68 Prozent der Stimmen gewonnen hat. Der 53-jährige Exgeneral stürzte 1991 als Soldat Malis damalige Militärdiktatur; 1992 führte er die Demokratie ein und gab die Macht an eine gewählte Regierung ab. Nun, nachdem die Demokraten in Mali abgewirtschaftet haben, hebt ihn das Volk des Sahel-Staates wieder als Retter an seine Spitze – genau wie de Gaulle, der 1944 als Soldat Frankreich befreite und sich schnell aus der Politik zurückzog, nur um 1958 nach dem Kollaps der Vierten Republik sein Land wieder in Besitz zu nehmen.

Kein Politiker Malis hat einen besseren Ruf als Amadou Toumani Touré, nicht einmal der bisherige Präsident Alpha Oumar Konaré, der 1992 gewählt und 1997 wiedergewählt wurde und jetzt verfassungsgemäß nicht wieder antrat. Der integre Intellektuelle Konaré verschaffte Mali zwar Respekt als Demokratiemodell, aber er konnte weder die Spaltung seiner Partei Adema verhindern noch die Verarmung Malis aufhalten. „ATT“ hat demgegenüber einige Trümpfe in der Hand: Er hat einen guten Ruf im In- und Ausland; und er trat als Parteiloser an.

Von Burundi bis zur Zentralafrikanischen Republik reichen die afrikanischen Konflikte, in denen „ATT“ sich einen guten Ruf als Schlichter erworben hat. Er war sogar als Kongo-Vermittler der UNO im Gespräch, bevor er sich zur Präsidentschaftskandidatur entschloss. In Afrika wird man ihn also respektieren.

Sein Erfolg als Antiparteienkandidat ist aber auch ein Plebiszit der Malier gegen das westliche Mehrparteiensystem, das Mali 1992 als eines der ersten Länder Westafrikas ohne Beschränkungen einführte. Wie in vielen afrikanischen Ländern hat die Vervielfachung politischer Parteien in Mali mehr theatralische als praktische Wirkung gehabt. Mehr Politiker als früher können sich aufplustern und miteinander streiten, aber in entscheidenden Momenten wie Wahlen dominieren Boykottaufrufe und Betrugsvorwürfe. Parteipolitische Loyalitäten sind immer noch zu wichtig bei Regierungsentscheidungen, und parteipolitische Querelen werden gerne auf der Straße ausgefochten. Der Qualität des Regierens ist das nicht dienlich.

Zu de Gaulle mischt „ATT“ angesichts der Krise seines Landes ein wenig Tony Blair. „Bildung, Bildung, Bildung“ hat er vor seiner Wahl zum Motto gemacht und verspricht eine Generalüberholung der malischen Gesellschaft: Ende von Vorzugsbehandlung aufgrund von Parteizugehörigkeit, Kampf gegen Korruption, eine Nationalkonferenz zur Gesundung des Schulwesens. Der neue Präsident verfügt über den nötigen Weitblick, um wichtige Entscheidungen mit der historischen Dimension auszustatten, die er für ihre Akzeptanz in der äußerst ehrpusseligen malischen Politik braucht. Schon nach seinem Abtritt 1992 stellte er sich in Interviews in eine Linie mit Thomas Sankara, dem 1987 nach vier Jahren revolutionärer Umgestaltung ermordeten Präsidenten des Nachbarlandes Burkina Faso, der als junger Systemveränderer bis heute verehrt wird. Ein anderes Vorbild für ihn ist Ghanas Expräsident Jerry Rawlings, der seine politische Karriere 1979 auch als linksradikaler Militärputschist begann und 2001 als neoliberaler Demokrat beendete.

Sollte „ATT“ Erfolg haben, könnte das Vertrauen der Malier in ihre Politik wieder steigen. Die Wahl 2002 war nicht lupenrein. Das Verfassungsgericht annullierte nach dem ersten Wahlgang am 26. April aufgrund von Unregelmäßigkeiten etwa ein Viertel der abgegebenen Stimmen, und bei der Stichwahl lag die Beteiligung bei unter 40 Prozent.

DOMINIC JOHNSON