Mehr als nur Golf

Der Neuseeländer Greg Turner ist Profi der anderen Art. Seit gestern zeigt er das beim Turnier in St. Leon-Rot

ST. LEON-ROT taz ■ Er denkt anders, er spielt anders und gelegentlich eckt er damit an. Der Neuseeländer Greg Turner mag so ganz und gar nicht in die Welt der immer jünger und perfekter werdenden Golfprofis passen. In einer Sportart, die immer mehr den Sprung vom gemütlichen Spiel zur Hochleistungsbetätigung vollzieht, wirkt er beinahe wie ein Exot. Turner scheint es nicht wert, für Erfolg auf dem Golfplatz auf alles andere, was das Leben noch zu bieten hat, zu verzichten. So nehmen Familie, Hobbys und Politik einen großen Teil seiner Zeit ein. „Ich habe mich gefragt, ob ich auf alles verzichten muss, nur um ein guter Golfer zu werden. Und ich kam zu dem Schluss, dass dieser Preis ein zu hoher wäre“, sagt der Mann aus Dunedin, einer Küstenstadt auf der Südinsel Neuseelands.

Bei solch ungewöhnlichen Sätzen könnte man leicht auf den Gedanken kommen, Greg Turner toure ambitionslos über die Greens dieser Welt. Doch damit läge man mächtig daneben. „Ich glaube, dass der Weg, vielseitig zu sein, für mich der einzig mögliche ist, um Erfolg zu haben“, sagt der 39-Jährige vielmehr – und zwölf Turniersiege sowie die Berufung in die Weltauswahl, die 1998 den President’s Cup gewann, beweisen, dass Turners Weg tatsächlich so falsch nicht sein kann. Auf jeden Fall ist er ein gutes Beispiel, dass es mehr als nur einen Pfad zum Erfolg gibt. Selbst den bisweilen geübten Vorwurf, er schöpfe durch seine eher ungewöhnliche Einstellung sein Talent nicht vollends aus, kann man sich in die Haare schmieren. Denn sieht man Turners Bewegungen, kommt man erst gar nicht auf den Gedanken, er hätte bei etwas mehr Golf-Fanatismus in eine Liga mit einem Überflieger wie Tiger Woods aufsteigen können.

Doch Woods und die in seinem Sog nachkommenden jungen Spieler verfügen nicht nur über mehr Talent. Sie sind auch Teil einer Entwicklung des Golfs hin zum Leistungssport – eben mit Protagonisten, die alles ihrem Spiel unterordnen, um alte Grenzen überwinden und die Barrieren des Vorstellbaren sprengen zu können. Männer wie Turner finden in so einer Golfgesellschaft kaum noch ihren Platz und werden immer mehr an den Rand gedrängt.

Oder auch ins Rampenlicht, so wie Anfang des Jahres bei den New Zealand Open. Dort wurde Tiger Woods für sein übliches Startgeld von gerüchteweise zwei Millionen Dollar verpflichtet – und die Organisatoren wussten auch, wer das bezahlen sollte: die Zuschauer, denen man die Eintrittspreise verzehnfachte. Ein ziemlicher Skandal, den Greg Turner sich in seiner golfverrückten Heimat nicht bieten lassen wollte. Seine Androhung, unter diesen Bedingungen nicht teilnehmen zu wollen, führte zu einer heftigen Kontroverse. Interviews wurden gegeben, Erklärungen veröffentlicht – und die Positionen im Laufe der Zeit ins falsche Licht gesetzt. Am Ende wurde es so dargestellt, als würde Turner eine persönliche Fehde mit Woods austragen, angetrieben vom Neid auf das hohe Antrittsgeld des Konkurrenten und bezweckend, auch für sich persönlich mehr herauszuschlagen. Dabei ging es Turner wirklich nur ums Prinzip, so wie er die junge Garde auch prinzipiell kritisiert: „Die Jungstars werden heute von einem Beraterstab umgeben, der versucht, ihnen alle Entscheidungen abzunehmen. Man will sie fast am eigenständigen Denken hindern.“ Andererseits ist auch Turner beeindruckt von den Leistungen, die die heutigen Stars erbringen. Ob deren Karrieren sich allerdings über bis zu 20 oder mehr Jahren erstrecken werden, wie das beispielsweise bei Jack Nicklaus oder Gary Player der Fall ist, stellt Turner in Frage: „Bei der Intensität mit der die junge Generation spielt, werden wir wahrscheinlich viel mehr Burn-outs erleben“, vermutet er. THOMAS GÖGELE